Willkommen im Club!
Die Nürnberger Staatsphilharmonie spielte in einem bekannten Club der Frankenmetropole
Was spielt eine Staatsphilharmonie? Wagner, Mahler, Dvorák. Aber manchmal eben auch Tom Jones. Genauer gesagt: „Sex Bomb“. Wo und wann? In der Disco, spätabends. Die Staatsphilharmonie Nürnberg, das nach dem Bayerischen Staatsorchester größte bayerische Opernorchester, hat am Mittwochabend im Nürnberger Club „Hirsch“ ein Konzert gegeben.
Ein Münchner Großorchester hat sich an einen solchen Ort noch nie gewagt. Generalmusikdirektor Marcus Bosch war vor einem Jahr mit dem Ziel angetreten, Schwellenängste abzubauen: Klassische Musik sollte nicht nur den eingeschworenen Kreis treuer Abonnenten und Opern-Anhänger in der Region interessieren. „Wir glauben, dass unsere Musik vielen Menschen etwas zu sagen hat“, sagte er am Mittwochabend.
Der Disco-Auftritt jedenfalls verfehlte seine Wirkung nicht. Großer Applaus des überwiegend jungen Publikums belohnte die Musiker für ihren Einsatz an ungewöhnlicher Stätte, wo die Discokugeln über die Köpfe schwebten. Jährlich sind zwei Auftritte im „Hirsch“, einer bekannten Party-Location in Franken, geplant.
Aber natürlich hatte das Orchester noch viel mehr zu bieten als „Sex Bomb“: Mit Pauken, Trommelwirbel, sanften Harfenklängen, verträumten Streicher-Passagen und beeindruckenden Bläsersequenzen zeigte es die Vielfalt seiner Kunst auf. Zu hören waren Klassiker der italienischen Oper: Verdi, Puccini, Rossini. „Wir haben gezeigt, dass das Orchester flexibel ist und Spaß an der Musik hat“, sagte Bosch.
Auch bei der Einstudierung des für ein Klassik-Orchester ungewöhnlichen Stücks „Sex Bomb“ sei man ernsthaft vorgegangen: „Man sucht die Stilmittel, die dafür passen.“ Zwei DJs haben das Stück mit Beats unterlegt und somit Disco-Sound und klassische Musik auch akustisch zusammengebracht. Die Musiker und ihr Dirigent hatten sichtlich Freude daran, einmal nicht im Orchestergraben des Opernhauses oder in der Meistersingerhalle zu musizieren – sondern in Freizeitkleidung im Club.
Keine 24 Stunden später allerdings wartete wieder der Orchestergraben – für Musik ganz anderer Prägung: Richard Wagners „Tristan und Isolde“ stand am Donnerstag auf dem Spielplan, ein Mammutwerk von fünf Stunden, das keinerlei Heiterkeit zulässt und mit Tom Jones rein gar nichts zu tun hat.