Wie von einer anderen Welt

Audio von Carbonatix
Ihre helle Haut glänzt im Lichtschein, die goldene Stola glitzert auf ihrem dunklen Samtkleid. Und als wäre es nicht schon genug des schönen Scheins, funkelt am Gitternetz-Vorhang eine Sonne. Scheinbar unbewegt blickt Lisa Gerrard, diese kerzengerade, dämonische Sphinx von einer Frau, auf ihre dunkel gekleideten Jünger in der ausverkauften Philharmonie. Sie alle bekommen nicht genug von ihrer unergründlichen Altstimme, die seit Jahren Filme wie „Gladiator” mit Gefühlen auflädt und die Zuhörer zum Weinen bringt.
Nur ein Keyboard darf Gerrard bei „Wandering Star” begleiten, und dann legt sie los, mal kraftvoll kehlig, dann wieder hauchzart. Die 51-jährige Australierin schließt die Augen, moduliert die Töne ihrer geheimnisvollen Fantasiesprache – bis sie den Standing Ovations ein enthusiastisches „You Are Fabulous!” entgegenschleudert. Es sind die einzigen Worte, die Gerrard an diesem denkwürdigen Abend am Ende ihrer letzten Zugabe spricht, Brendan Perry, ihr Partner von Dead Can Dance, ist da bereits entschwunden.
Es grenzt an ein Wunder, dass die beiden Exzentriker wieder gemeinsam Musik machen, die letzten sieben Jahre kümmerten sie sich nur um ihre Solokarrieren. Der zweistündige Auftritt bestätigt diese Entfremdung. Wie auf der neuen Platte „Anastasis” wechseln sie sich zumeist in ihren Beiträgen ab. Von Interaktion oder gar Augenkontakt kann keine Rede sein. Die Distanz hat jedoch keine Auswirkung auf die Qualität.
Mit perfektem Timing, exzellenten Gastmusikern, darunter der virtuose deutsche Percussionist David Kuckhermann, erkunden Gerrard und Perry fremde Länder und Kulturen. Womit bewiesen wäre, dass „Weltmusik” nicht unbedingt für Beliebigkeit stehen muss.
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