Wenn die Oasis-Ticketpreise sich einfach verdoppeln: Einblicke in das "Dynamic Pricing"

Rund eine Million Tickets gibt es für die angekündigte Tour von Oasis. Da wird man doch eines bekommen können, dachte unser Autor: ein Selbstversuch.
von  Jan Krattiger
Das klingt nicht nach Erfolg: 311.000 Menschen sind noch vor mir.
Das klingt nicht nach Erfolg: 311.000 Menschen sind noch vor mir. © JK

Am Samstag begann der Vorverkauf für die 17 Reunion-Konzerte der Britpop-Legenden. Der Andrang war riesig, der Frust ebenso.

9.40 Uhr. Willkommen im Warteraum. In 20 Minuten beginnt der Ticketverkauf.

So wird man als einer von zig Millionen weltweit von Ticketmaster begrüßt am Samstagmorgen kurz vor 10 Uhr, nur wenige Tage nachdem Oasis, also die Brüder Noel (57) und Liam (51) Gallagher, am Dienstag verkündet haben, dass sie nach 15 Jahren wieder gemeinsam auf einer Bühne stehen wollen. 17 Konzerte in Cardiff, Manchester, London, Edinburgh und Dublin sind - vorerst - geplant im Sommer 2025. Eine Nachricht, die weltweit für Schlagzeilen sorgte.

Vor 25 Jahren war alles viel einfacher 

Es wären fast auf den Tag genau 25 Jahre, nachdem ich die Band in London live gesehen hatte, im legendären alten Wembley-Stadion. Mit 17 Jahren fasste ich damals gemeinsam mit ein paar Freunden, die genauso Feuer und Flamme waren, den Plan nach London zu reisen für dieses Riesen-Konzertereignis.

Vor 25 Jahren sahen meine Freunde und ich Oasis im Wembley-Stadion.
Vor 25 Jahren sahen meine Freunde und ich Oasis im Wembley-Stadion. © JK

So war es damals für uns Jugendliche, die zu viel Zeit und Energie und Gefühle haben und auf der Suche sind nach ihrer Identität. Das Angebot von Oasis: Laute Gitarren, lebensbejahende Hymnen, fantastische Klamotten und Haarschnitte und natürlich endlose Coolness. Klar, dass das nicht nur in Manchester, sondern auch in hiesigen Gefilden auf dem Dorf Anklang findet.

Erst im Rückblick dann viel klarer: Dazu gehörte auch ziemlich offen zur Schau getragene Frauenverachtung und ein Männlichkeitsbild vom harten Macker, der gerne viel zu viel trinkt, Drogen konsumiert und sich prügelt.

Die Warteschlange - eine Vorhölle 

13.10 Uhr. Sie sind in einer Warteschlange. Die Seite ist überlastet.

Nach einem kurzen Austausch mit einem damaligen Begleiter war am Samstag klar: Wir versuchen es. Warum auch nicht. Einziges Problem: Der Familienalltag. Einkaufen, Kochen, Kind bespaßen, was so dazugehört. Darum der Wechsel vom Laptop aufs Handy. Ticketmaster bestraft das, ich rutsche von der Warteschlange (Platz 47.740) in "eine" Warteschlange, also quasi die Schlange vor der Schlange. Da werde ich den Großteil meines virtuellen Samstags verbringen, wie sich herausstellen wird.

Damals habe ich Tickets für Oasis einfach gekauft, für 27.50 Pfund.
Damals habe ich Tickets für Oasis einfach gekauft, für 27.50 Pfund. © JK

Vor 25 Jahren, für die Wembley-Konzerte, sprinteten wir zur 10-Uhr-Pause zu den iMacs in der Bibliothek der Schule (das waren diese bunten, abgerundeten Kisten mit integriertem Monitor). Dank Papas Kreditkarte klappte es sogar sehr schnell und sehr reibungslos, auch wenn wir dann erst wirklich sicher waren, als die offiziellen Papiertickets (mit Wasserzeichen) dann einige Wochen später auch im Briefkasten lagen.

Kaum zu glauben: Wir fahren zu Oasis nach London. Der Preis für einen Stehplatz damals: 27,50 Pfund. Der Preis für einen Stehplatz im Jahr 2025 im neuen Wembley: 155 Pfund (die günstigsten Karten für die Oasis-Reunion-Konzerte sind Sitzplätze für 74 Pfund).

Liam ist besoffen und mies gelaunt 

15.00 Uhr. Sie sind in der Warteschlange. 311517 Leute sind vor Ihnen.

Da war es eigentlich schon klar: Das wird nichts mehr. Obwohl die Zahl der Leute in der virtuellen Schlange langsam sinkt, findet man sich mit dem Gedanken ab, nicht mit dabei zu sein nächsten Sommer. Aber ist das schlimm? Wie immer bei Oasis weiß man: Könnte tatsächlich fantastisch werden. Könnte auch absolut grottenschlecht werden.

Wie die beiden Wembley-Konzerte 2000: Am Freitag ist die Band in Höchstform, spielt zwar viel zu viele Lieder vom nicht besonders gelungenen vierten Album "Standing On The Shoulder Of Giants", aber natürlich auch genug Klassiker der ersten beiden Alben. Die Euphorie im Publikum ist spürbar, es ist noch weit hinter dem ersten Wellenbrecher unglaubliche Partystimmung und es fliegt viel Bier in der Gegend herum.

Liam Gallagher (l) und Noel Gallagher müssen bei ihrem Comeback auf meine Unterstützung verzichten.
Liam Gallagher (l) und Noel Gallagher müssen bei ihrem Comeback auf meine Unterstützung verzichten. © picture alliance/dpa/PA Media

Am zweiten Abend ist Sänger Liam rotzbesoffen und mies gelaunt, weil seine Scheidung gerade durch die britische Yellow Press-Mangel gedreht wird. Er singt kaum, meckert herum, die Band versucht zu retten, was zu retten ist. Wir sehen auch dieses Konzert live, entscheiden uns am Abend spontan zum Stadion zu fahren und schnappen uns Karten für je 10 Pfund, weil das Konzert jede Minute losgehen wird. Es wird ein unerwartetes Spektakel.

Sie sind dran, let's go!

16.58 Uhr. Sie sind in der Warteschlange. 1 Person ist vor Ihnen.

Der Puls geht am Samstagabend tatsächlich ein bisschen hoch bei der Vorstellung, die ganzen Hits wie Live Forever, Slide Away, Champagne Supernova und so viele andere doch noch einmal live zu erleben. Songs, die zumindest meine Jugend und damit auch die ganzen musikalischen Jahre seither so sehr geprägt haben, wie keine anderen.

Dann entscheidet Ticketmaster, dass hier Schluss ist. Ein Rädchen dreht sich und dann erscheint die Mitteilung, dass es wieder von vorne losgeht – also mit dem Warteraum vor der eigentlichen Warteschlange.

Immerhin nur eine halbe Stunde später: Sie sind dran, let's go!

Eher demotiviert, letzter Versuch. Ich darf Tickets aussuchen, oder das, was noch übrig bleibt: Karten für Menschen mit Behinderung, krass teure VIP-Tickets (Oasis Pre-Show Party & Exhibition Fan Packe für 453 Pfund, Oasis Merhandise & Exhibition Fan Package für 353 Pfund). Oder, und hier wird es richtig perfide: Die Stehplatztickets von vorhin (155 Pfund), die jetzt aber 355 Pfund kosten.

Warum haben sich die Preise nun verdoppelt?

Dieses finstere, menschenfeindliche System nennt Ticketmaster "Dynamic Pricing", also ein Ticketpreis der je nach Angebot und Nachfrage festgelegt wird. Wichtig: Noch sind die Konzerte nicht ausverkauft, das wird Oasis erst um 20 Uhr offiziell bekanntgeben. Die Band und Ticketmaster wollen mir also jetzt, wenige Stunden nach Vorverkaufsbeginn, nachdem ich in der Warteschlange zu weit hinten war, die gleichen Stehplatztickets noch einmal anbieten, nur mehr als doppelt so teuer.

Wir verzichten. Stattdessen krame ich den alten Umschlag mit den Tickets und den Sofortbildkamera-Fotos hervor und schwelge ein bisschen in Nostalgie. Es ist auch gut – trotz dem 90er-Jahre-Revival, das gerade überall um sich greift, manche Sachen ruhen zu lassen, rede ich mir ein. Toppen lässt sich die Wembley-Expedition sowieso nicht.

Dass es auch anders geht, zeigt aktuell übrigens der britische Sänger Paul Heaton (Housemartins, The Beautiful South). Heaton ist sicherlich kein Superstar wie Oasis. Aber bei seiner Arena-Tour im Herbst kosten alle Tickets 35 Pfund, also nur wenig mehr als die Oasis-Tickets vor 25 Jahren. Und er rechnet fest damit, mit dieser Tournee Geld zu verdienen.

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