Was Gerold Huber im Pfaffenwinkel plant
Dicke, schwere Folianten stehen in den Regalen und warten darauf, ihr jahrhundertealtes Wissen preiszugeben. Vom prachtvollen Deckengemälde Johann Baptist Baaders grüßt der Pegasus herab, das geflügelte Pferd, das Sinnbild der Dichtkunst und der Phantasie. Und wenn Gerold Huber sich auf dem Podium an den Flügel setzt, auf den der ganze leicht gebaute Raum hinauszulaufen scheint, beginnt der Bibliothekssaal Polling in seiner Gänze sanft zu klingen.
Dieses architektonische Juwel im oberbayerischen Pfaffenwinkel wird am ersten Juli-Wochenende der Schauplatz der neugegründeten Tage Alter und Neuer Musik sein, deren künstlerische Leitung der aus Straubing gebürtige Pianist Gerold Huber inne hat, einer der meistgerühmten Liedbegleiter, bekannt nicht zuletzt als fester Duopartner von Christian Gerhaher. Das Dichterross Pegasus hat Huber merklich inspiriert: Die insgesamt sieben Konzerte heben sich erfrischend vom programmatischen Einerlei ab.
Die Neunte in der Kammerfassung
Jedem liegt eine Idee zugrunde. So wird im Nachtkonzert am 1. Juli das apokalyptische Klavierquartett „Pour la fin du temps“ – „für das Ende der Zeit“ – Olivier Messiaens durch biblische Texte ergänzt, welche der Schauspieler Klaus Lutz Lansemann rezitieren wird. Die Lied-Matinée am 2. Juli stellt ausschließlich Vertonungen aus Johann Wolfgang von Goethe Bildungsroman „Wilhelm Meister“ vor; es wird sicherlich reizvoll sein zu vergleichen, wie so unterschiedliche Komponisten wie Schubert, Schumann, Loewe, Liszt, Tschaikowsky, Wolf und Rubinstein ihren Johann Wolfgang von Goethe verstanden haben. Zusätzlich zu gleich fünf jungen Gesangssolisten aller Fächer und zwei Begleitpianisten gibt es auch noch einen Vortrag des Literaturwissenschaftlers Dieter Borchmeyer.
Das zweite der Nachtkonzerte am 2. Juli bringt dann eine Rarität, nämlich Richard Wagners Version der 9. Symphonie von Beethoven für zwei Klaviere, Solisten und Kammerchor. Hier könnten die Sänger vielleicht einmal versuchen, den liedhaften Momenten ihrer Partien nachzuspüren.
In einer Bibliothek soll man ja eigentlich nicht reden, doch die intime Atmosphäre des Pollinger Saals bietet eine Möglichkeit, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Am Samstag Nachmittag (2. Juli) wird eine „Offene Bühne“ angeboten, ein Nachmittag für die ganze Familie, an welchem – bei freiem Eintritt – mögliche Barrieren zwischen Hörer und Musik abgebaut werden können. Um solche Berührungsängste braucht man sich beim Eröffnungskonzert am 1. Juli keine Gedanken zu machen: Das brüderliche Duo Nicolai und Alexej Gerassimez wird mit Klavier und Schlagzeug den Rokokosaal zum Zittern bringen. Gut, dass die schweren Bücher in ihren Regalen gesichert sind. Bei der Abschlussmatinée am 3. Juli kann sich der Saal dann mit Musik von Händel, Vivaldi und Zelenka gleichsam wieder an seine eigene Epoche einfinden.
Die Musiker, die Gerold Huber für dieses Wochenende gewinnen konnte, unter ihnen der Geiger Ingolf Turban, der Violoncellist Guido Schiefen, der Klarinettist Johannes Peitz, der Pianist James Cheung sowie das auf historischen Instrumenten spielende Ensemble „L´Accademia Giocosa“ lassen höchste kammermusikalische Kunst erwarten. Der Weg nach Polling, der durch einige Sonderbusse an diesem Wochenende durchaus unkompliziert zu bewältigen ist, dürfte sich lohnen.
Tage Alter und Neuer Musik, Bibliothekssaal Polling, 1. – 3. Juli, weitere Informationen unter www.pegasus-konzerte-polling.de