Was Alexander Liebreich demnächst macht

Der langjährige Künstlerische Leiter des Münchener Kammerorchesters übernimmt ein Orchester im Fernen Osten
von  Robert Braunmüller
Alexander Liebreich mit dem Taipeh Symphony Orchestra
Alexander Liebreich mit dem Taipeh Symphony Orchestra © Orchester

"Die Zukunft der klassischen Musik liegt in Asien", sagt der Dirigent Alexander Liebreich. Der gebürtige Regensburger war zwischen 2006 und 2016 Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Münchener Kammerorchesters. Dann wechselte er zum Orchester des Polnischen Rundfunks nach Kattowitz und war Chefdirigent des Rundfunksinfonie-Orchester Prag. Gegenwärtig leitet er das spanische Orquestra de València, ab 2026 übernimmt er das Taipeh Symphony Orchestra in der Hauptstadt der vor China gelegenen, aber zum Ärger der Regierung auf dem Festland demokratisch regierten Insel Taiwan.

Das Orchester entschied sich in einer demokratischen Abstimmung für den 56-Jährigen. Diesem Votum schloss sich das von einem Schriftsteller geleitete Kulturamt der Stadt an, erzählt Liebreich. Er wird Nachfolger des mittlerweile 89-jährigen Israeli Eliahu Inbal, der in Japan und Taiwan verehrt wird wie hierzulande Herbert Blomstedt. Inbal wurde in seiner Zeit als Chef des Symphonieorchesters des Hessischen Rundfunks bekannt durch sein Engagement für die Urfassungen verschiedener Bruckner-Symphonien und gilt bis heute als Spezialist für diese Musik.

Liebreich kennt Asien gut: Er war von 2011 bis 2014 Künstlerischer Leiter des Tongyeong International Music Festival in Südkorea und hat auch - vermittelt durch das Goethe-Institut - Kurse in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang gegeben. Mit seinem neuen Orchester verbindet ihn bereits eine langjährige Zusammenarbeit: 2008 debütierte er beim Taipeh Symphony Orchestra mit Gustav Mahlers Fünfter und einem Werk des koreanisch-deutschen Komponisten Isang Yun. Danach brachte Liebreich mit dem Orchester Gegenwartsmusik wie die "Gran Toccata" von Dieter Amman zur asiatischen Erstaufführung. Zuletzt beschäftigte er sich in Taipeh mit Witold Lutoslawski und Orchesterwerken von Richard Strauss wie dem "Heldenleben".

Der in den 1980er Jahren errichtete Konzertsaal in Taipheh orientiert sich äußerlich an der traditionellen chinesischen Architektur. Das Innere ist modern.
Der in den 1980er Jahren errichtete Konzertsaal in Taipheh orientiert sich äußerlich an der traditionellen chinesischen Architektur. Das Innere ist modern. © picture alliance / dpa

Zum Einstand wird Liebreich eine Uraufführung des chinesischen Komponisten von Qigang Chen dirigieren, der in Paris Schüler von Olivier Messiaen war. Er hat ein Doppelkonzert für die Geigerin Lisa Batiashvili und den Cellisten Gautier Capuçon komponiert, dessen Besetzung sich am Doppelkonzert von Johannes Brahms orientiert. Außerdem plant Liebreich Wagners "Tristan und Isolde" in der leicht verschiffbaren Pariser Inszenierung von Peter Sellars, die wegen der Videoinstallation von Bill Viola bei einem Gastspiel in Tokio auf großes Interesse beim asiatischen Publikum gestoßen ist.

In Asien prägen Frauen die Klassische Musik

Das Orchester in Taipeh ist städtisch, es existiert seit 1969. Der Frauenanteil ist traditionell hoch und liegt bei 85 Prozent. "In Asien wird die klassische Musik von Frauen geprägt - auch durch Komponistinnen wie Unsuk Chin", sagt Liebreich. Die Kontrabassgruppe des Orchesters ist seit Beginn rein weiblich. "Sie ist exzellent und hat mich stark beeindruckt, wie wir einmal ,Tapis' von Isang Yun aufgeführt haben - ein Stück, das diese Gruppe stark fordert."

Den Dirigenten reizt an Taipeh auch die Bedeutung von Education-Projekten. "Die Selbstverständlichkeit, mit der Kinder in Korea, Taiwan oder Singapur ein Instrument lernen, ist bei uns leider abhandengekommen", sagt Liebreich. "Kunst, Mathematik und Sport haben in Asien eine große Bedeutung. Dieses ganzheitliche Modell der Erziehung steht bei uns auf etwas wackeligen Beinen", so der Dirigent.

Das Taipeh Symphony Orchestra in seinem Konzertsaal.
Das Taipeh Symphony Orchestra in seinem Konzertsaal. © Taipeh Symphony Orchestra

Liebrich hält es außerdem für ein Vorurteil, asiatische Musikerinnen und Musiker auf technische Beherrschung und Virtuosität zu reduzieren. "Tatsächlich kommen die derzeit spannendsten jungen Pianisten aus dem Fernen Osten - etwa der von Simon Rattle geschätzte Seong-Jin Cho. Es gibt auch viele interessante Sängerinnen und Sänger wie die Mezzosopranistin Fleur Barron."

Und daher mag Alexander Liebreich recht haben: Die Zukunft der klassischen Musik liegt in Asien. Vielleicht nicht nur, aber auch.

Arte zeigt am Sonntag, den 6. April um 17.40 Uhr die Aufzeichnung eines Konzerts aus Valencia unter Alexander Liebreich und ein Porträt des Dirigenten

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