Wann fährt der letzte Bus? Über das Altern in der Rockmusik

Forever Young? Die Rockmusik hat das Greisenalter erreicht und die Bands haben verschiedene Konzepte, nicht aufzuhören.
von  Volker Isfort

Ob die Stones 2026 in der Allianz Arena spielen werden, ist bislang noch nicht geklärt, dürfte aber vor allem verklärte Fans beschäftigen. Denn vorsichtig ausgedrückt haben sie ihren Zenit überschritten. Schon beim Konzert 2006 im Olympiastadion konnte man, wenn man seitlich neben der Bühne saß, erkennen, dass mehr Musiker hinter den Boxentürmen als auf der Bühne standen.

Was zur nächsten Frage führt: Kommen die Stones im September 2035 in den Circus Krone und feiern dann den 70. Jahrestag ihres ersten München-Auftritts am selben Ort? Keith Richards wird dann vielleicht nicht mehr dabei sein und Mick Jagger nicht mehr ganz so gelenkig wie mit 80, aber Rockbands haben bekanntlich ein Leben jenseits der menschlichen Biologie: Hätte irgendjemand im Winter 1991 nach Freddie Mercurys Tod erwartet, dass Queen als Band überleben könnte? Sie tourten Jahrzehnte lang weiter.

Wer soll sich das anschauen?

Vor wenigen Tagen beschwerte sich Chris Norman, Gründungsmitglied von Smokie, die er bereits 1986 verließ, darüber, dass die Band noch immer unter dem Namen existiere und Konzerte gebe, obwohl kein einziges Gründungsmitglied dort noch aktiv sei und die meisten derzeitiger Bandmitglieder noch nicht einmal geboren waren, als er die Band gründete. "Ich verstehe nicht, wie man sich das als Zuschauer anschauen kann. Ich würde niemals zu so einer Band gehen", wetterte Norman. Dabei ist diese Praxis keineswegs auf Smokie beschränkt.

Für viele Fans sind Tribute-Bands die Rettung

Am 2. Juli 2026 feiern Foreigner auf dem Tollwood in der Musikarena ihr 50-jähriges Bestehen. Aber die Musiker, die dann auf der Bühne stehen werden, stießen erst etliche Jahrzehnte nach Chartbreakern wie "Juke Box Hero", "Urgent" und "Waiting for a Girl Like You" zur Band dazu. Was sie von einer Tribute Band unterscheidet, ist allein der Unterschied, dass sie noch einige Jahre mit Gründungsmitglied Mick Jones unterwegs waren, der es offenbar nach Erreichen des 80. Lebensjahres etwas gemächlicher angehen will.

Doch wer zum Teufel ist eigentlich diese Alice? Seit 1977 gibt es den Hit der britischen Band Smokie von ihrem "Greatest Hits"-Album: "Living Next Door to Alice". Ob es an den jährlichen Oktoberfest-Gesängen liegt, dass der Song nach wie vor als erfolgreichstes Lied der Band gilt? Im Bild: Sänger Chris Norman, der die Band später verließ.
Doch wer zum Teufel ist eigentlich diese Alice? Seit 1977 gibt es den Hit der britischen Band Smokie von ihrem "Greatest Hits"-Album: "Living Next Door to Alice". Ob es an den jährlichen Oktoberfest-Gesängen liegt, dass der Song nach wie vor als erfolgreichstes Lied der Band gilt? Im Bild: Sänger Chris Norman, der die Band später verließ. © Hendrik Schmidt, dpa

Die Rockmusik als ehemalige Jugendbewegung hat endgültig ihr Greisenalter erreicht. Seinen 80. Geburtstag als Bassist von Fleetwood feiert heute Mac John McVie, natürlich begleitet von Spekulationen um die x-te Reunion der Band, die zuletzt 2019 in Las Vegas auf der Bühne stand. Seit sich Sängerin Stevie Nicks und ihr ehemaliger Lebensgefährte und Gitarrist Lindsey Buckingham offenbar wieder einmal versöhnt haben, wird über eine Reunion-Tournee spekuliert, obwohl Gründungsmitglied Mick Fleetwood dies nach dem Tod von Keyboarderin und Sängerin Christine McVie im Jahr 2022 explizit ausschloss.

Andererseits wird ihr legendäres Album "Rumours", eines der erfolgreichstes der gesamten Musikgeschichte, im kommenden Jahr 50 Jahre alt. Und Fans hoffen, die kreuz und quer untereinander einstmals verliebten und zerstrittenen Bandmitglieder könnten zum Jubiläum noch einmal gemeinsam etwas auf die Beine stellen.

Diese Musiker feiern auf dem Tollwood 2026 den 50. Geburtstag von Foreigner, auch wenn niemand von ihnen bei der Gründung schon Bandmitglied war.
Diese Musiker feiern auf dem Tollwood 2026 den 50. Geburtstag von Foreigner, auch wenn niemand von ihnen bei der Gründung schon Bandmitglied war. © Krishta Abruzzini

Trost spendet derweil die Tribute-Band Rumours of Fleetwood Mac, die im Februar dieses Jahres zwei Mal den Kongresssaal zum Kochen brachte und am 22. Februar 2026 im Deutschen Theater auftreten wird. Übrigens mit offiziellem Segen von Mick Fleetwood, der zum Konzertbeginn per Videobotschaft auf den musikalisch prächtigen Abend einstimmt.

Liegt die Zukunft im virtuellen Konzert?

Auch Chris Norman hat nichts gegen Tribute- oder Coverbands. Mit den Musikern der Tribute-Band Spirit Of Smokie sei er sogar befreundet. "Denn die tun nicht so, als wären sie Smokie. Sie gehen einfach auf die Bühne, spielen Smokie-Songs und verdienen damit ihren Lebensunterhalt", sagte Chris Norman.

Längst überlegt die Musikbranche, wie man die verstorbenen Helden von Elvis bis Amy Winehouse wieder auf Tour schicken könnte. Aber bislang hat es nur Abba geschafft, seit Mai 2022 Fans zu von digitalen Avataren, also "Abbataren" gestalteten Konzerten zu locken, in einer mit riesigem technischen Aufwand gestalteten Halle in London. Tourfähig ist die Technik noch nicht und ob dies wirklich ein Zukunftsmodell für Konzerte sein kann, entscheidet allein der Zuschauererfolg.

Die virtuelle "Abba Voyage" Show. Bei der Show stehen animierte, digital verjüngte Versionen der Bandmitglieder von Abba auf der Bühne. "Abba Voyage" feierte am 26. Mai 2022 in London Weltpremiere.
Die virtuelle "Abba Voyage" Show. Bei der Show stehen animierte, digital verjüngte Versionen der Bandmitglieder von Abba auf der Bühne. "Abba Voyage" feierte am 26. Mai 2022 in London Weltpremiere. © Johan Persson/Abba Voyage (PA Media)

Die meisten alt gewordenen Bands versuchen, irgendwie an die Jahrzehnte zurückliegende Zeit ihres künstlerischen Höhepunkts zu erinnern. Nur Bob Dylan tut dies nicht. Der Mann, der sich seit sechs Jahrzehnten jeder Publikumserwartung entzieht, spielt sich unverständlich murmelnd hinter dem Klavier, dem künstlerischen Ende entgegen.

Alternde Punks? "Es ist kein Spaß!"

Immerhin spielt er nicht wie die Stones seit 50 Jahren die gleichen Lieder zudem hat der Nobelpreisträger Hunderte von Liedtexten, die für jedes Alter passen.

Da der 84-jährige Dylan aber auch für 2026 keinen München-Auftritt angekündigt hat, bleibt Fans als Trost die lokale Dylan-Cover-Band The Blissful Bob (Heppel & Ettlich, 21./22. Dezember 2025).

König des Goodbye: Sir Elton John spielte im Laufe von fünf Jahren weltweit 330 Abschiedskonzert.
König des Goodbye: Sir Elton John spielte im Laufe von fünf Jahren weltweit 330 Abschiedskonzert. © Tayfun Salci/dpa/Zuma Press

Dabei ist der Abschied an sich schon ein Überbietungswettbewerb geworden. Peter Kraus hat es in den letzten eineinhalb Jahrzehnten auf über ein halbes Dutzend allerletzte Tourneen gebracht, Elton Johns Abschied von den Weltbühnen dauerte fünf Jahre. Daran orientierte sich auch scherzhaft Pete Townshend nach dem Abschluss der amerikanischen Abschiedstournee von The Who: "Elton John hat 330 Abschiedskonzerte gegeben, wir erst 22", sagte der 80-Jährige. Es liegt also noch viel Arbeit vor der Band, die nach ihrer berühmtesten Textzeile bekanntlich lieber sterben wollte als alt zu werden.

"Trink aus. Wir müssen gehen"

Ist altern in der Rockmusik schon schwer genug, so scheint es in anderen Genres fast unmöglich. Wer will alternde Punks sehen? Und doch sind auch die Sex Pistols wieder auf großer Welttour und kommen am 6. Juli 2026 auf das Tollwood-Festival. Johnny Rotten ist nicht mehr dabei, aber mit Steve Jones, Paul Cook and Glen Matlock immerhin drei Ur-Mitglieder. "Es ist kein Spaß", verspricht die Band. Wir werden sehen.

Campino (Andreas Frege).
Campino (Andreas Frege). © picture alliance/dpa

Auch die Toten Hosen schielen zumindest schon einmal auf den Abschied. Ihre "Trink Aus! Wir Müssen Gehen"-Tour führt sie am 8. und 9. Juli 2026 auf den Hans-Jochen-Vogel-Platz im Olympiapark.

Viele ihrer Texte klingen peinlich stark nach Pubertät, aber Campino bleibt zumindest das Schicksal von Extrabreit (20.12.2025 im Strom) erspart: im Rentenalter noch "Hurra, Hurra die Schule brennt" zu singen. Kein Wunder, dass auch auf die Hip-Hopper der Fantastischen Vier "der letzte Bus" (so heißt ihre Tour) wartet. Am 17. und 18. Januar 2027 spielen sie in der Olympiahalle. Nicht jede Jugendkultur lässt sich problemlos ins Alter überführen.

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