Vom Glanz der Münchner Schule
Auf diese Gesamtaufnahme muss man nachdrücklich hinweisen. Zum ersten Mal, soweit man das sehen kann, liegen auf diesen beiden einzelnen CDs sämtliche Orchesterlieder von Walter Braunfels vor, und zwar in Einspielungen von echtem künstlerischen Wert.
Den meisten Musikfreunden wurde der lange vergessene Komponist (1882 – 1954) zum ersten Mal ein Begriff, als zu seinem 40. Todestag die frühe Aristophanes-Oper „Die Vögel“ neu aufgelegt wurde. Auch auf der ersten Folge dieser Totale finden sich zwei Gesänge, die für dieses Stück, mit dem Braunfels seinen Durchbruch erlebte, konzipiert wurden; mit dem agilen, intensiven Koloratursopran von Valentina Farcas und dem jünglingshaften Tenor von Klaus Florian Vogt sind sie treffend besetzt.
Beeinflusst von Richard Strauss
Dem frühen Braunfels ist der Einfluss besonders durch Richard Strauss noch an vielen Stellen anzumerken. Zum Glück ist unsere Zeit heute da nicht mehr so streng. So kommt unverstellt in den Blick, wie geläufig Braunfels schon in der früheren Zeit das moderne Orchester handhabt, gleichsam so, als ob er nie etwas anderes getan hätte.
Gereift besonders im „neudeutsch“ angehauchten Milieu der Münchner Schule um Ludwig Thuille, zeigt Braunfels in jedem dieser neun gewichtigen Werke einen unglaublichen Klangsinn, der sich zum Beispiel in meisterlich ausgehörten, herben Reibungen und Auflösungen der Instrumentalstimmen in den „Chinesischen Gesängen“ manifestiert und zu einer innerlich berstenden Expressivität führt. Von Camilla Nylund wird das fesselnd gesungen.
Ein enges Verhältnis zur menschlichen Stimme
Überhaupt hat Braunfels über die gesamte Strecke seines Wirkens, das in diesem Werkkorpus von 1913 bis 1945 abgedeckt wird, ein geradezu telepathisch enges Verhältnis zur menschlichen Stimme. Man höre etwa die mächtige baritonale Linie in den ernsten Gesängen, die während des Ersten Weltkriegs entstanden; Michael Volle stemmt sie mit heldisch schwerem Bariton. Ab den 1930er Jahren verfeinert sich sein Idiom merklich. Die letzten hier vorgestellten Werke, etwa der mystische Liederzyklus „Die Gott minnende Seele“ oder die „Japanischen Gesänge“, gehören zu den vokalen Spitzenwerken dieser Zeit, die auch die Pflege im Konzertleben verdient hätten; Genia Kühmeier und Ricarda Merbeth deklamieren jeweils mit berückendem Timbre und adäquater Textsensibilität.
Der verbindende Geist dieser sorgfältigen Produktionen ist Hansjörg Albrecht, der sich mit seinen hochsensiblen Begleitungen am Pult zweier Orchester gleichermaßen als spätromantisch wie modern versiert empfiehlt. Wenngleich Braunfels „Don Juan“ aus den 1920er Jahren nicht ganz die rhythmisch-metrische Brillanz von Strauss erreicht, kann Albrecht doch die ansteckende Kurzweil dieser „klassisch-romantischen Phantasmagorie“ unwiderstehlich mitteilen. Höchst hörenswert!
Walter Braunfels: Sämtliche Orchesterlieder auf zwei Einzel-CDs; Staatskapelle Weimar/Konzerthausorchester Berlin, Hansjörg Albrecht; Oehms Classics
- Themen:
- Richard Strauss