Kritik

Vladimir Jurowski dirigiert im Nationaltheater

Das 6. Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters mit Emanuel Ax als Solist
von  Robert Braunmüller
Das Bayerische Staatsorchester beim 6. Akademiekonzert auf der Vorbühne des Nationaltheaters. Foto: Wilfried Hösl
Das Bayerische Staatsorchester beim 6. Akademiekonzert auf der Vorbühne des Nationaltheaters. Foto: Wilfried Hösl

Der Pianist hat etwas von einem zerstreuten Professor, wenn er das Konzertpodium des Nationaltheaters betritt. Aber das verfliegt, wenn Emanuel Ax effektvoll mit der virtuosen Solokadenz einsetzt, die am Beginn von Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 steht. Sofort wird deutlich, dass Klarheit, Transparenz und stürmisches Drängen hier jenem deutsch-österreichischen Grübeln eine Absage erteilen, das sich bei diesem Konzert in Münchens Konzertsälen zuletzt stark ausgebreitet hat.

Das 6. Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters.
Das 6. Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters. © Wilfried Hösl

Ax wurde im 6. Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters dem Beinamen "Emperor" voll gerecht, das dieses Werk im englischen Sprachraum trägt. Er dominierte das Geschehen, drängte voran und integrierte die nachdenklichen Passagen in ein schlüssiges Gesamtkonzept. Die linke und rechte Hand agierten ausgewogen und gleichberechtigt: Alles, was als Begleitung gelten kann, war so wichtig wie die Melodie. Das Adagio un poco mosso blieb nur ein Zwischenspiel, dann gelang es dem Pianisten, den Ernst der ersten beiden Sätze in eine etwas grimmigen Heiterkeit zu verwandeln.

Betonte Klarheit

Das Staatsorchester begleitete unter Vladimir Jurowski auf Augenhöhe. Auch hier wurde die Transparent und das Strahlende dieses Konzerts betont - als eine echte Alternative zu anderen Münchner Aufführungen dieses vielgespielten Konzerts, bei dem oft lieblos und ledern darauf gesetzt wurde, dass dieses Stück mehr oder weniger von selbst funktioniert.

Ax interpretierte als Zugabe mit den gleichen Tugenden ein ruhiges Nocturne von Chopin (op. 27 Nr. 1) - ohne zu säuseln, lebendig artikuliert und mit betonter Klarheit im Detail. Das alles machte Lust auf die Aufführung von Robert Schumanns Symphonie Nr. 3 ("Die Rheinische"), einem bekanntermaßen schwer in Bewegung zu setzendem Werk, das wie Beethoven von Grübelei und zähen Tempi bedroht wird.

Das 6. Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters.
Das 6. Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters. © Wilfried Hösl

Jurowski machte bei Schumann fast alles richtig. Das Staatsorchester spielte in einer nicht übergroßer, alles ertränkender Streicherbesetzung. Der Dirigent drängte von Beginn an vorwärts und sorgte für nervöse, eher kleinteilige Crescendi, die bei dieser Musik neben auftrumpfenden Hörnern für Schwung und Feuer sorgen. Im zweiten Satz arbeitete der Generalmusikdirektor die luftig-tänzelnde Rhythmik klar heraus, den vierten dominierte schlanke Feierlichkeit. Auch im Finale ließ die Energie bis zum Schluss nicht nach.

Das 6. Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters.
Das 6. Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters. © Wilfried Hösl

Dass es einige klanglich übersteuerte Passagen gab, sei nicht verschwiegen. Jenseits dessen gelang Jurowski eine glasklare, energische Aufführung, die Einsichten historisch informierter Aufführungen auf ein konventionell spielendes Orchester übertrug. Und da wirklich gelungene Schumann-Aufführungen sehr selten sind, dürfte dieses Akademiekonzert länger im Gedächtnis haften wie andere Termine.

Es ist zu früh für eine Trennung

Mit den Händen zu greifen war allerdings auch der Grant bei einer Reihe von Musikerinnen und Musikern. Es ist kein Geheimnis, dass es zwischen dem Generalmusikdirektor und dem Bayerischen Staatsorchester knirscht wie in der ganzen Staatsoper. Noch immer sind die Verträge des Intendanten, des Generalmusikdirektors und des Ballettchefs nicht verlängert, obwohl die Politik von zeitnahen Antworten gesprochen hat.

Vladmir Jurowski.
Vladmir Jurowski. © Wilfried Hösl

Es mag sein, dass vielen Musikern der auch in diesem Konzert greifbare Kontrollzwang des Generalmusikdirektors missfällt. Allerdings ist eine lässig-traditionsbewusst heruntergespielte Schumann-Symphonie tranig und langweilig - bei dieser und einer Menge anderer Musik braucht es eine interpretierende Idee und deren Durchsetzung.

Es mag schwer sein, sich wieder zusammenzuraufen. Angesichts dieses Konzerts (und den meisten von Jurowskis Opernaufführungen) wäre es schade, wenn sich die Wege allzu vorschnell trennen würden. Denn der Blick zum Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zeigt, dass Jurowski längst nicht alle seine künstlerischen Ideen ausgespielt hat.

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