Verluste in der Weite des Raums: Gerald Finleys Liederabend
Erst spät, in der zweiten Hälfte, wurde deutlich, mit welcher Kultiviertheit der kanadische Bassbariton singt. Im zweiten der „Three Songs“ des britschen Komponisten Mark Anthony Turnage schwieg das Klavier. Die Stimme beklagte unbegleitet den Tod eines Haustiers.
Da wurde die immer noch extrem sichere Höhe des 65-jährigen Sängers ebenso hörbar wie seine natürliche Mittellage und seine sonore Tiefe, verbunden mit einer subtilen Textausdeutung und einer souveränen Gestaltung, die eine anfänglich tiefe Verletztheit in nachdenkliche, ruhige Trauer übergehen lässt.
Auch in Liedern von Edward Grieg und Ralph Vaughan Williams wurden Finleys unbestreitbare Stärken deutlich. Zuletzt bewies er nach zwei Stunden immer noch souveräne Kraft im Lied „When I have sung my songs to you” des Amerikaners Ernest Charles und die Kunst maximaler musikalischer Gelassenheit in Franz Schubert’s „Du bist die Ruh“. Bei solchen Liedern, die mehr akkordische Begleitung statt kammermusikalischer Partnerschaft verlangen, wirkte auch die Pianistin Isata Kanneh-Mason ganz in ihrem Element.
Als würde er im Nebenzimmer singen
Allerdings begann der Abend sehr unbefriedigend, gar verstörend. Denn so ideal das Prinzregententheater für Kammermusik und Liedgesang scheint, so hallig wird seine Akustik bei schwächerem Besuch in der Mitte der ansteigenden Sitzreihen. Da schien es, als würde Finley in einem Nebenzimmer singen, und offenbar fiel es sowohl dem Sänger wie auch seiner Begleiterin schwer, sich auf diese Umstände einzulassen. Und es mag auch sein, dass man derlei auf dem Podium auch nicht wahrnimmt.

Beim ersten Lied, Beethovens „Ein Selbstgespräch“, spielte die Pianistin wild drauflos. Das rasche Tempo machte in Verbindung mit dem Nachhall den Text unverständlich, dazu wirkte die Balance zwischen dem Klavier und dem Gesang massiv gestört. Unter dem recht harten Anschlag der Pianistin litten auch die unverwüstliche „Adelaide“ und der Zyklus „An die ferne Geliebte“, der sich ohnehin nur bedingt als Einsing- und Einspielstück eignet.
Ein Meister des Legatos und der Stimmkultur
Besser gelang Ruhiges wie Schuberts „Meeresstille“ oder „Wanderers Nachtlied“. Derlei bewältigt Finley in souveränem, akzentfreiem Deutsch. Auch seine rebellische Deutung des „Prometheus“ hat viel für sich. Schwieriger ist es, sich mit seiner Hyper-Dramatisierung des „Erlkönigs“ anzufreunden. Das Wort „Gewalt“ schrie Finley fast, als gelte es den Mord in einer Mascagni-Oper anzukündigen. Und den Schluss, von Schubert als Rezitativ bezeichnet, sprach er, was überforciert wirkte.

Derlei mag dem Gefühl geschuldet sein, akustisch nicht zu den hinteren Reihen durchzudringen. Und es ist übrigens auch keine gute Idee, den Saal so stark abzudunkeln, dass die an sich in vernünftiger Größe gedruckten Liedtexte im Programmheft nicht mehr lesbar sind. Auch über die mehr zum Filmfest passenden Popfarben der Nischen-Beleuchtung kann man streiten.
In den vorderen Reihen nahm das Publikum diesen Liederabend offenbar anders wahr: Finley wurde heftig bejubelt. Was er als Meister des Legatos und der Stimmkultur verdient. Aber hier kann nur über das berichtet werden, was bis zur 12. Reihe durchdrang.