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Patricia „Kaas chante Piaf“: Die Französin mit auch einem deutschen Herz kommt in die Philharmonie. Im AZ-Interview erklärt die Kaas ihr Liebes(un)glück und das Leben der Piaf
Michael Tschernek |
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Sie will auf der Bühne keine Karikatur der Piaf sein. Deshalb nähert sich die Lothringerin der Chansonlegende auf eigene, moderne Weise – natürlich mit großem Respekt.

PATRICIA KAAS: Sprechen Sie Französisch?

AZ: Nicht gut genug. Deshalb bin ich froh, dass Sie, Madame, perfekt Deutsch sprechen.

Perfekt? Na ja. Sagen wir: gut.

AZ: Madame Kaas, der Titel „Kaas chante Piaf“ wirft die Frage auf: Wer ist wichtiger?

PATRICIA KAAS: Es handelt sich um eine Hommage an Edith Piaf. Und „Kaas chante Piaf“ sagt: Es geht zwar nicht um meine Lieder, aber ich werde sie so interpretieren, wie ich sie fühle.

Hat die Piaf viele Chansons selbst geschrieben?

Manche. Beispielsweise „La vie en rose“. Aber meistens hat sie auf bewährte Autoren und Komponisten zurückgegriffen.

War es für Sie ein natürlicher Schritt, nach Ihrem Album „Kabaret“ jetzt Piaf-Stücke aufzunehmen?

Um eine Hommage an Piaf auf die Beine zu stellen, braucht man Lebenserfahrung, Mut, Selbstvertrauen. Und diese Dinge habe ich erst im Laufe meines Lebens gewonnen. Ich will mich nicht mit Piaf vergleichen, werde mich nicht schwarz gekleidet wie die Piaf in einen Lichtkegel stellen und gestikulieren. Ich möchte keine Karikatur von ihr sein. Deshalb auch dieser unmissverständliche Titel: „Kaas chante Piaf“.

Aber man wird die Piaf doch wiedererkennen?

Natürlich. Aber es gibt Lieder wie „Milord“, die deutlich anders klingen.

„Milord“ hat bei Ihnen eine andere Tonart. Und der Gitarren-Einstieg...

Ich wollte mit dem Komponisten und Arrangeur Abel Korzeniowski arbeiten, weil ich alles groß aufziehen wollte. Er ist Filmkomponist. Die Stücke haben alle was Cineastisches, jedes Lied erzählt eine Geschichte. Die Piaf hat 430 Lieder eingesungen.

Gibt es in Ihrem Programm dann vorwiegend bekannte Stücke?

Ja, aber ich habe auch ein paar weniger bekannte Stücke ins Programm genommen – Lieder, die mich berühren wie „La belle histoire d’amour“, ein Lied, das Piaf nach dem Unfalltod von Marcel Cerdan, ihrer großen Liebe, geschrieben hat. Diese Emotionen will ich auch schauspielerisch präsentieren, den Schmerz, die Traurigkeit. Oder: „Les blouses blanches“ erzählt die Geschichte einer Frau, die verrückt wird, weil ihr Mann sie verlässt. Ich habe auch einen Tänzer auf der Bühne, der sich im HipHop-Streetstyle zu „La vie en rose“ bewegt, das natürlich eher klassisch klingt. Ich wollte eine Mischung und so das Straßenleben von damals auch in die Gegenwart holen. Ich habe aber auch Bilder von Piaf in die Show eingebaut. Darunter sind seltene kurze Filme von Piaf, wie man sie kaum kennt: eine Piaf, die lächelt, die ihre Leidenschaft für das Leben und die Liebe zeigt. Eine Piaf, die nicht Schwarz trägt.

Haben Sie Zeitzeugen getroffen?

Ja, auch Charles Aznavour zum Beispiel. Er erinnert sich an Piaf als eine, die gern feierte und lachte, aber sie war auch streng und dominant. Wenn sie mit ihrem Gefolge in irgendein Restaurant kam, bestimmte sie für alle den Speiseplan. Wenn es ihr danach war, weckte sie ihre Mitarbeiter um drei Uhr morgens: du kommst jetzt und dann arbeiten wir! Aber sie wurde geliebt. In Erinnerung bleibt sie als eine starke Frau.

Ihre Stimme ist nicht so metallisch hoch wie die der Piaf.

Ja, meine ist runder. Aber ich war überrascht, wie gut ihre Lieder dennoch zu mir passen.

Haben Sie sich vor diesem Piaf-Projekt noch einmal intensiv mit dem Leben der Piaf befasst?

Ja. Ihr Leben war weniger düster, als es dargestellt wird. Ich habe natürlich auch den Film „La Vie en Rose“ gesehen und ich fand Marion Cotillard schauspielerisch sehr gut. Aber sie hat auch schöne Dinge erlebt. Über ihre zahlreichen Liebesgeschichten sagte sie, dass sie immer nur den Anfang einer Liebe erleben wollte, weil diese Zeit voller Leidenschaft sei. Und sie wollte die Beziehungen lieber beenden, bevor der Alltag einkehrt. Dafür fehlte ihr jedoch die Kraft. So hat sie jeweils Situationen provoziert, die den Mann dazu veranlasst haben, sie zu verlassen.

Sie hat es provoziert, verlassen zu werden?

Genau, so konnte sie auch den dazugehörigen Schmerz empfinden. Sie lebte immer mit extremen Emotionen. Schmerz, weil sie verlassen wurde, oder mit Glücksgefühlen, die zu Beginn einer neuen Liebe aufkommen. Ich glaube auch nicht an die Liebe, die ein ganzes Leben anhält.

Sie sehnen sich nicht nach einer Beziehung, die ein Leben lang anhält?

Das wäre wünschenswert. Aber wenn du angestrengt nach etwas suchst, wirst du keinen Erfolg haben. So etwas überfällt dich, wenn du es nicht erwartest. Ich glaube nicht an einen Prinzen auf einem weißen Ross. Aber ich glaube an die Liebe. Aber man muss auch dafür bereit sein, sonst steht dir gleich auf der Stirn geschrieben: bitte nicht stören! Es kommt auf den Moment an. Und im Moment fühle ich mich gut und denke mir: eine Liebe wäre schön.

Und denken Sie dabei – wie die Piaf – an die anfängliche Verliebtheit oder an eine langfristige Beziehung?

Ein Anfang wäre mir zunächst genug. Man sollte zu Beginn nicht gleich ans Ende denken.

Sind Sie kompliziert?

Vielleicht bin ich einfach zu selbstständig. Selbstständigkeit ist auch etwas Positives. Aber in diesem Zusammenhang ist sie negativ, weil du jede Beziehung ohne weiteres beenden kannst. Anfangs bewundern dich die Männer für das, was du auf der Bühne gibst und mit dem Publikum teilst. Aber diese Bewunderung kann auch schnell in eine Eifersucht umschlagen, weil du dem Publikum möglicherweise mehr gibst als deinem Partner. Deshalb ist die Lage nicht einfach. Aber inzwischen fühle ich mich dafür bereit. Ich habe auch Lust dazu.

„Je ne regrette rien“ ist eines der bekanntesten Chansons. Bereuen Sie auch nichts?

Ja. Ich nehme lieber gewisse Folgen in Kauf, als etwas überhaupt nicht versucht oder kennengelernt zu haben.

„Kaas chante Piaf“, Do, 20 Uhr, Philharmonie, 60 bis 95 Euro

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