Valery Gergiev dirigiert Debussy, Schostakowitsch und Berlioz - die AZ-Kritik

Den Kopf voll mit lauter Routine: Valery Gergiev, Janine Jansen und die Philharmoniker mit Schostakowitsch, Berlioz und Debussy im Gasteig
Robert Braunmüller |
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Valery Gergiev, der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.
dpa Valery Gergiev, der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.

Unter deutschen Konzertbesuchern hat die „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz einen eher zweifelhaften Ruf. Das sei gar keine richtige Symphonie, hört man oft, mehr etwas klebrig vertonte Autobiografie. Ein Reißer, der von einem Orchester vor allem effektvoll heruntergehobelt werden müsse. Um die paar Späne sei es nicht schade.

Valery Gergiev ist bisher nicht durch ein besonderes Gespür für Berlioz aufgefallen. 2007 hat er etwa bei den Salzburger Festspielen dessen Oper „Benvenuto Cellini“ krachend in den Sand gesetzt. Nun dirigierte er die „Symphonie fantastique“ mit den Münchner Philharmonikern – besser, aber nicht wirklich inspiriert.

Ein paar Belege: Alle Stellen, in denen vielfach geteilte Streicher rhythmisch Heikles zu spielen haben, klangen verwaschen – etwa der dynamische Höhepunkt des ersten Satzes oder die Überlagerung des „Dies irae“ mit dem Hexensabbat Finale. Die Gegenstimme der Bassposaune im zweiten Thema des Marsches blieb unhörbar. Die von Berlioz gewünschten, teilweise extremen Gegensätze der Lautstärke waren nivelliert. Zwar mag das dreifache „Religiosamente“-Pianissimo am Ende des ersten Satzes unausführbar sein. Aber ein Dirigent vom Rang und Ruf eines Valery Gergiev sollte den Hörer an dieser Stelle schon spüren lassen, dass ihm die extremen Klangvisionen vom Hector Berlioz nicht ganz egal sind.

In guten Aufführungen dieser Symphonie überrascht der Reichtum an Nuancen, ein nervöser Pulsschlag und der manische Wechsel zwischen Zartgliedrigkeit und brutaler Ekstase. Gergiev mag tausend Partituren auswendig im Kopf haben, wie seine Bewunderer versichern. Aber am Dienstag abend verließ er sich wieder einmal auf die hervorragenden Bläser und den warmen Klang seines Orchesters. Er moderierte das Werk, eine Interpretations-Idee hatte er nicht zu bieten. Außer, sie als pauschalen Reißer zu spielen. Und das ist keine Idee.

Schostakowitsch kann er

Besser stand es um Dmitri Schostakowitschs Violinkonzert Nr. 2. Das gewiss nicht stärkste Werk dieses Komponisten verbreitet schlechte Laune und grübelndes Mißvergnügen. Die wunderbare Geigerin Janine Jansen holte die Beklemmung, Dämonie, Verzweiflung mit unerbittlicher Energie heraus, Gergiev entdeckte mindestens sechzig Schattierungen von Grau. Und davor glückte ihm eine bemerkenswert verhaltene, diskrete und dunkel-glühende Deutung von Claude Debussys „Nachmittag eines Faun“.

Er könnte schon, dieser Gergiev. Aber er will nicht oft genug. Dem Orchester hat er eine neue Sitzordnung verpasst. Die Musiker sitzen dichter gedrängt weiter hinten. In den vorderen Reihen soll es besser klingen, in den Mittelblöcken wirkte die Musik – wie immer – zu weit entfernt.

Gergiev weiß natürlich: Die „Symphonie fantastique“ läuft von selbst und befriedigt die Abonnenten auch in einer mittleren Wiedergabe. Und die einmalige Aufführung dieses Programms im Gasteig war auch nur die Generalprobe zu einem Spanien-Gastspiel. In einer ersten Saison lässt sich das möglicherweise kaum anders planen. Aber es darf nicht einreißen. Denn es sind die Münchner Philharmoniker, die Gergiev als Chef dirigiert.

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