"Blanker Antisemitismus": Philharmoniker dürfen nicht auftreten – München empört

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Am Dienstag begannen die Münchner Philharmoniker ihre Konzertsaison in der Isarphilharmonie. Darauf sollte eine Europatournee unter dem designierten Chefdirigenten Lahav Shani folgen. Die ist nun um eine Station ärmer: Das Flandern-Festival im belgischen Gent hat das Orchester wieder ausgeladen.
Das Festival verlangte eine Distanzierung des Dirigenten vom "genozidalen Regime in Tel Aviv“, wie es auf der Homepage heißt. Shani ist Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra, das als musikalischer Botschafter des Landes gilt. Dem Vernehmen nach wurde auch vorgeschlagen, das Konzert mit einem anderen Dirigenten durchzuführen, was die Philharmoniker zurückwiesen.

Daraufhin wurde das Konzert in der Kathedrale St. Bavo abgesagt. Man habe sich im Einklang mit dem Aufruf des Kulturministers, des Stadtrats von Gent und örtlichen Kultursektors entschlossen, auf die Zusammenarbeit mit Partnern zu verzichten, die sich nicht eindeutig von diesem Regime distanziert haben, heißt es auf der Homepage des Festivals. Befürchtet werden außerdem "emotionale Reaktionen“, die das Konzerterlebnis beeinträchtigen würden.
Unter Generalverdacht
Das Münchner Rathaus und die Philharmoniker reagierten scharf auf die Absage. Shani trete "seinem ganzen Wirken als Musiker und Mensch für Verständigung, Humanismus und Dialog ein“, heißt es in einer Pressemitteilung. "Israelische Künstlerinnen und Künstler unter Generalverdacht zu stellen und kollektiv zu bestrafen, lehnen wir entschieden ab. Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit von der Bühne, dem Konzertsaal oder anderen öffentlichen Orten zu verbannen, ist ein Angriff auf wesentliche europäische und demokratische Werte.“

Florian Wiegand, der neue Intendant des Orchesters, erklärt, er sei "fassungslos“ über diese Entscheidung. Der Kulturreferent Marek Wiechers betont, Shani stehe mit seinem "integrativen Wirken und seiner Haltung wie kaum ein anderer für Menschlichkeit, Versöhnung und Verständigung.“

Für Offenheit, Vielfalt und Dialog
Auch Dieter Reiter meldete sich zu Wort: "Die Münchner Philharmoniker stehen als Kulturbotschafter der Landeshauptstadt München für Offenheit, Vielfalt und Dialog – ganz egal ob zu Hause in München oder auf ihren Reisen in die Konzertsäle Europas und der Welt“, heißt es in der Pressemitteilung. "Ich kann die Entscheidung des Veranstalters in keiner Weise nachvollziehen. Die Stadt München und ich persönlich stehen klar an der Seite der Münchner Philharmoniker und an der Seite ihres künftigen Chefdirigenten Lahav Shani.“
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sprach sogar von einer "Schande für Europa". Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik werde hier ein Kultur-Boykott betrieben. "Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur", sagte er. "Wenn es akzeptabel wird, deutsche Orchester und jüdische Künstler kollektiv auszuladen, ist eine rote Linie überschritten." Europäische Bühnen dürften nicht zu Orten werden, an denen Antisemiten den Spielplan diktieren. Das werde Deutschland nicht hinnehmen, so Weimer.