Und alle fünf Minuten wird es Licht

Max Herre über sein neues Album „Hallo Welt”, über die Vorzüge von Facebook und die Lebenseinstellung, die ein Vater haben sollte
Christian Jooß |
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Nett schlacksig, ein bisschen wie ein ewiger Student wirkt dieser Max Herre – Ehemann von Joy Denalane, Pionier des deutschen Rap mit Freundeskreis, der solo die Welt zwischen Reggae und Rock für sich entdeckte. „Hallo Welt” heißt Herres neues Album, Es ist eine Rückkehr zum Rap mit Gästen wie Sophie Hunger, aufgenommen mit seinem Kahedi-Produktionsteam, bestehend aus Samon Kawamura, Herre selbst und Roberto Di Gioia.

AZ: Schönes Cover. Wo steht denn die Radiohütte, die da zu sehen ist?
MAX HERRE: Jetzt ist sie mit uns unterwegs, ist gerade im LKW. Wir haben es tatsächlich geschafft, sie so zu konfigurieren, dass wir sie auf die Bühne stellen können. Da steht Samon drin. Da ist sein DJ-Pult und sein Rechner.

Die Piratensendervorstellung ist doch eine recht nostalgische Idee?
Dieser Widerspruch war mir durchaus bewusst, aber ich fand die Idee zu schön, um darauf zu verzichten, Mir war wichtig, mit der Platte kein Retro-Album zu machen. Aber ich fand das Bild von einem Piratenradiosender so stark, weil es die perfekte Metapher für das ist, was ich seit jeher mache. Wir machen einfach unser Programm, senden es über den Äther und sind nicht korrumpierbar. So ein Sender hat nicht nur einen Musikstil, der streut seine Sachen thematisch relativ breit. Und alles ist nebeneinander erlaubt, musikalisch als auch inhaltlich.

Sie werden nächstes Jahr 40 und sind Mitglied einer Übergangsgeneration vom Analogen zum Digitalen. Ist die Kultur des ständigen Feedback hinderlich?
Ich habe versucht, mich davon frei zu machen. Ich mache jetzt auch Facebook. Du postest etwas, hast 400 Likes, 40 Kommentare. Davon sind 39 nett bis überschwänglich, einer hat was dagegen. Und das ist der Typ, der dich beschäftigt. Ich mag bei Facebook diese direkte Ansprache, dass ich nicht mehr Sie als Journalisten brauche, um zu erklären, was ich will. Das macht uns Künstler unabhängiger – auch von den Plattenfirmen. Wir können die Plattenfirma wechseln, aber die Facebook-Fans bleiben bei uns.

Seit 2007 haben Sie eine eigene Plattenfirma.
Das habe ich noch mit Fitz Braum in die Wege geleitet, der Geschäftsführer von Four Music war. Zuerst war es dafür gedacht, um Joyces und meine Künstlerkarriere zu verwalten. Jetzt habe wir einen Geschäftsführer, zwei Angestellte und einen Praktikant. Im Oktober machen wir eine Megaloh-Platte, ein Berliner Rapper, den wir toll fanden.

Die Gäste auf Ihrem neuen Album wie Aloe Blacc oder Samy Deluxe scheinen sich im Studio wohlgefühlt zu haben.
Zu vielen der Leute habe ich einen freundschaftlichen oder sehr guten kollegialen Draht. Das ist Wertschätzung, die keine Einbahnstraße ist. Unser Studio ist eine Eineinhalb-Zimmer Wohnung in Kreuzberg, die etwas von einem Wohnzimmer hat. Das ist kein Keller, wo es nach abgestandenem Bier und Zigarette riecht.

Zum Rauchen in die Küche?
Samon steht ab und zu abends am Fenster. Oder trifft sich mit seinem Nachbarn, unserem Vermieter, auf der Treppe. Weil der Kinder hat, sitzt er nachts auf der Treppe mit Aschenbecher und Buch und macht alle fünf Minuten das Hausflurlicht wieder an.

Die Platte entsteht aus dem echten Leben.
Wir sind sehr im Leben, zumal Samon einen Stock tiefer mit seiner Familie wohnt. Wir arbeiten von 10 bis 16 Uhr, dann ist Samon für Minimum vier Stunden Hausmann, weil seine Frau auch arbeitet.

Muss man als Vater eine politische Haltung haben, weil man an die Zukunft glaubt?
Ich war auch ohne Kinder schon ein politisch denkender Mensch. Kinder bekommen ist nichts für Fatalisten. Das hat auch mit einer Hoffnung zu tun, für die man bereit ist, bestimmte Dinge zu machen.

Mal eine Frage an den Rap-Experten: Deutsche Gangsterrapper wie Haftbefehl – ist das Prekariatsporno oder legitimer Ausdruck einer Lebenssituation?
Da ist der Grad schmal. Ich muss das nicht alles mit meiner Vorstellung von Moral und Ethik abgleichen können. Es muss einfach echt sein und spiegeln, was dieser Mensch jeden Tag erlebt. Für mich als Musiker ist wichtig, dass die Musik geil ist, der Typ rappen kann und der Beat stimmt. Wu Tang und Mob Deep haben über unmögliches Zeug gerappt, aber sie haben es mit einer solchen Glaubwürdigkeit, Vehemenz und Realness getan, dass es einen mitgerissen hat.

Max Herre: „Hallo Welt!” (Nesola/Universal)

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