Kritik

Thomas Hengelbrock dirigiert Brahms

Der Auftakt zur Aufführung aller Symphonien durch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Michael Bastian Weiß |
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Thomas Hengelbrock dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal.
Astrid Ackermann/BR Thomas Hengelbrock dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal.

Zum Jahresbeginn gönnen sich beide großen hiesigen symphonischen Orchester - ohne, dass diesbezüglich ein Jubeljahr vorliegen würde -, je einen Zyklus mit Orchesterwerken von Johannes Brahms. Leute, die nicht in allen Konzerten dabei sein können, fragen sich vielleicht, was an den Parallelaktionen für Unterschiede, was für Gemeinsamkeiten feststellbar sind.

Nun ist es für jeden Dirigenten unter 80 Jahren unfair, mit dem unwesentlich älteren Zubin Mehta verglichen zu werden, der in seinem Lebensherbst auf weit mehr als ein halbes Jahrhundert Pulterfahrung zurückblicken kann. Außerdem hat Thomas Hengelbrock das erste Programm der Brahms-Reihe des Symphonieorchesters des Rundfunks kurzfristig vom erkrankten Herbert Blomstedt übernommen. Praktischerweise jedoch fing Mehta seine Brahms-Retrospektive mit den Münchner Philharmonikern unlängst mit der Symphonie Nr. 3 F-Dur an, während Hengelbrock die ersten beiden Symphonien dirigiert.

Die Grundlinien vorgeben

Und siehe da - selbst an diesen höchst andersartigen Werken sind es zunächst die Ähnlichkeiten, die ins Auge fallen: Sowohl Zubin Mehta als auch Thomas Hengelbrock pflegen das gestische Understatement. Hengelbrock geht in der Symphonie Nr. 1 c-moll sogar so weit, nach einmal gegebenem Einsatz große Portionen der tragisch aufgebäumten Einleitung der Eigenverantwortung des BR-Symphonieorchesters zu überlassen, während er die Arme teils buchstäblich hängen lässt, teils mit sparsamen Bewegungen sozusagen bloß die Grundlinien vorgibt.

Wenn er dann beim Einsatz des schnellen Hauptsatzes abrupt die Führung übernimmt, geht ein vernehmlicher Ruck durch das Tutti und das symphonische Geschehen wird effektvoll angeheizt. An genau solchen Knotenpunkten werden jedoch auch die Unterschiede hörbar. Mehta lässt in der Dritten die Entwicklung aus der Musik selbst entstehen, Hengelbrock befeuert in der Ersten und in der Zweiten nach jeweils zurückgehaltener Einleitung die Entwicklungen stetig, erreicht dabei aber auch relativ früh ein Maximum an Lautstärke wie Intensität, sodass weder für das erlösende Finale der Ersten noch für das Brahms-untypische Austicken am Schluss der Zweiten noch Steigerungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Sehnen und Nervenbahnen

Am frappierendsten aber ist, wie weit die beiden Klangideale auseinandertreten. Mehta schmiedet die Philharmoniker in der Isarphilharmonie zu einer Einheit zusammen, Hengelbrock legt im Herkulessaal gleichsam die Sehnen und Nervenbahnen des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks analytisch offen. Verblüffend ist die Transparenz, in der die Stimmen von den hohen Holzbläsern bis hinab zu den Bässen zu unterscheiden sind, inklusive der Mittelstimmen. Hengelbrock erreicht diese Durchsichtigkeit durch ein betont schlackenloses Musizieren vor allem der Streicher, die dabei aber auf ein wohldosiertes Vibrato nicht verzichten müssen.

Man kann fragen, ob ein solcher kalligraphischer Zugang an jeder Stelle zur Schreibweise von Brahms passt, ob nicht manche Stellen auch einmal klanglich verklumpen dürfen, ob nicht auch Mühe und Arbeit des symphonischen Prozesses wahrnehmbar sein sollten. Das aber sind Geschmacksfragen.

Das Konzert kann man auf www.br-klassik.de und br-so.de anhören. Simone Young wird am 18. und 19. Januar mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks die Symphonien Nr. 3 und Nr. 4 von Brahms aufführen, jeweils um 20 Uhr im Herkulessaal, Karten unter (089) 5900 10880 und unter www.shop.br-ticket.de

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