Szenen einer Ehe - wild und barock

Feine Fetzen fliegen am Dienstag, wenn das Freiburger Balthasar-Neumann-Ensemble Händels "Armida & Rinaldo"-Pasticcio spielt. Die AZ traf den Dirigenten Thomas Hengelbrock beim Proben
Birgit Gotzes |
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Eine ruhige Strasse irgendwo zwischen Haidhausen und der Au. Draussen geniessen einige Musiker die frische Februarluft. Drinnen trinken andere Espresso, tippen am Handy. Dann machen sich die Mitglieder des Balthasar-Neumann-Ensembles auf den Weg in den Probensaal.

Sie sind zum ersten Mal hier - und es gefällt ihnen. Die Kantine ist gut: "Das hebt die Stimmung!" Vor allem aber: Der eher nüchterne, hohe Saal klingt ausgezeichnet. Die Münchner Symphoniker proben darin, und auch die Bavaria Musikstudios sind in der Schornstrasse zu Hause.

Ein mehrstufiges Podest füllt die hintere Breitseite des Saals. Die Stühle darauf sind mit Mänteln, Noten und Instrumentenkästen belegt . Die Pulte fürs Ensemble stehen ebenerdig, dem Podest gegenüber. Weisse Klebestreifen markieren den Platz, der später auf der Bühne zur Verfügung stehen wird. Für den Dirigenten Thomas Hengelbrock gibt es einen Drehstuhl ohne Lehne.

Es ist ein recht junges, internationales Ensemble, das sich mit seinen Originalinstrumenten an die Pulte setzt. Geprobt wird Bachs "Orchester-Suite Nr. 4" in der zweiten Fassung, der mit Trompeten. Die fehlen aber. Sie haben heute frei. Hengelbrock dirigiert meist sitzend, ohne Taktstock - der kommt erst am Schluss beim kurzen Durchlauf zum Einsatz, dazu steht er dann auch auf.

Verpönte Tänze

Man kennt sich gut, er hat das Ensemble gegründet. Hengelbrock spricht meist englisch, aber auch deutsch, er singt vor und unterstreicht durch kleine Gesten. Er feilt an Balance, Dynamik, Tempo und Klangfarbe. Erklärt, dass die Sätze ja Tänze sind, die aus der "folk music" von damals kommen, am Hof zunächst sogar verpönt waren: zu ordinär! Auf manche stand manchmal, verrät er später im Gespräch, die Todesstrafe...

Die Werke des Konzerts stellen die drei wichtigen Musikstile der Barockzeit vor: Mit Bachs Orchester-Suite Nr. 4 ist der französische, mit Telemanns Concerto D-Dur der deutsche Stil präsent.

Nach der Pause geht es italienisch weiter: mit dem Pasticcio. "Armida e Rinaldo" heisst es und besteht aus Arien und Instrumentalsätzen aus sechs Händelopern. Eine "Flick-Oper" wurde so etwas abfällig im 18./19. Jahrhundert genannt: Arien aus verschiedenen Opern - gerne Erfolgsstücke, problemlos auch von mehreren Komponisten - wurden mit einem neuen Libretto zu einer bis dato nicht existierenden Oper zusammengestellt.

Warum in München geprobt wird

"Zu Händels Zeiten war das ganz normal," sagt Hengelbrock nach der Probe. "Es war eine kreative Art, mit dem Genre Oper umzugehen. Händel selbst hat viele ,halbe Opern' geschrieben oder Arien für die Opern anderer Komponisten. Auch Mozart hat das noch gemacht."

Das Pasticcio ist auch der Grund, warum in München geprobt wird. Kate Lindsey singt gerade an der Staatsoper. Da wäre Freiburg etwas weit. Auf sie und Tenor Steve Davislim hat Hengelbrock seine Collage zugeschnitten. In "Armida e Rinaldo" geht es, natürlich, um die Liebe. Aber länger nach der Hochzeit, Thema: "Szenen einer Ehe": "Am Anfang hält er es einfach nicht mehr aus. Diese Frau macht ihn wahnsinnig! Aber sie ist charmant... Es gibt nicht direkt ein Happy End, doch über den Humor finden sie einen Weg, zusammenzubleiben."

Nur bei diesem Schluss hat Hengelbrock musikalisch ein wenig eingegriffen. Etwas exotisch soll es werden, unerwartet. Wir lassen uns gerne überraschen. 

Prinzregententheater, Dienstag, 25. Februar, 20 Uhr, Karten an der Abendkasse zu 34 bis 74 Euro, Tel. 93 60 93

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