Kritik

Souveräne Ruhe und Enthusiasmus

Die Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks feiert mit einem Konzert im Herkulessaal ihren 25. Geburtstag
von  Robert Braunmüller
Der Dirigent Sasha Scolnik-Brower mit den Akademisten des BR-Symphonieorchesters im Herkulessaal.
Der Dirigent Sasha Scolnik-Brower mit den Akademisten des BR-Symphonieorchesters im Herkulessaal. © Astrid Ackermann

Besser lässt sich die Erfolgsgeschichte dieser Einrichtung nicht benennen als mit einer Zahl: Rund 20 Prozent der gegenwärtigen Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks kommen aus der eigenen Orchesterakademie. Sie wurde vor 25 Jahren gegründet, um die Lücke zwischen der Hochschulausbildung und den Anforderungen eines Spitzenorchesters zu schließen. Und wer nach dieser Ausbildung nicht in München arbeitet, tut das in Orchestern Berlin, New York oder dem Rest der Welt.

Ein Ehemaliger war sogar auf Südkorea angereist, um beim Jubiläumskonzert im Herkulessaal mitzuspielen. Gefeiert wurde mit einem anspruchsvollen Programm aus heiklen Werken, die nicht gleichsam selbstverständlich laufen und erst durch die Interpreten zum Klingen gebracht werden müssen. Exemplarisch gelang das bei Igor Strawinkys stacheligem Concerto in Es („Dumbarton Oaks“), dessen Besetzung ein wenig an Bachs „Brandenburgisches Konzerte“ erinnert und das erst wirklich mit Vergnügen anzuhören ist, wenn es unangestrengt mit maximaler rhythmischer Präzision gespielt wurde, was eher passiert.

Da blieben am Sonntagabend keine Wünsche offen. Dem 30-jährigen Dirigenten Sasha Scolnik-Brower, derzeit Stipendiat des BR-Symphonieorchesters und als Einspringer für Simon Rattle zuletzt beim ARD-Wettbewerb viel beschäftigt, gelang eine klar balancierte, zwischen Neoklassizismus und Moderne ausgewogene Deutung. Und während man sich noch fragte, ob nicht doch eine Spur Pfeffer mehr nicht geschadet hätte, wurde dieser in Aaron Coplands jazziger „Music for the Theatre“ reichlich nachgeliefert, nur ohne die Grellheit, die sich leicht einstellt, wenn wie im Zirkus auf die große Trommel geschlagen wird.

Nach der Pause der Anfeuerer

Scolnik-Brower achtete sorgfältig darauf, die bei jungen Orchestern sehr leicht abrufbare Energie nicht überschäumen zu lassen, weshalb die melancholischen Bläsersoli den stärksten Eindruck hinterließen. Dann folgte noch Richard Wagners „Siegfried-Idyll“ in der Originalbesetzung, deren solistische Streichern eine Herausforderung für jeden dirigierenden Klangregisseur sind. Aber selbst die mit fünf Streicherinnen und Streichern heikle, enthusiastisch aufrauschende Stelle vor dem Hornruf wirkte nicht unbefriedigend oder gar dünn.

Auch hier überzeugte die souveräne Ruhe, mit der Scolnik-Brower das Orchester mäßigte. Danach sehnte man sich doch nach etwas Brio, das Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 5 nach der Pause reichlichst nachlieferte. Für den rekonvaleszenten Simon Rattle war kurzfristig Thomas Hengelbrock eingesprungen, der seine Rolle primär als Animateur und spontaner Anfeuerer begriff. Und er machte gar nicht erst den Versuch, den Musikerinnen und Musikern den sogenannten Originalklang aufzudrängen. Die Akademisten klangen wie das BR-Symphonieorchester: dunkel und erdig zwar, aber trotzdem sehr transparent, mit virtuosen Holzbläsern und kraftvollem Blech.

Im ersten Satz verstand Hengelbrock das Tatata-Taaa als eine Art Motto, von dem aus er das Tempo steigerte, um es beim Seitenthema immer wieder zurückzunehmen. Dann steuerte über Ruhepunkte in der Mitte und am Ende des zweiten Satzes direkt auf das hymnische Finale zu. Da wurde nichts vornehm in Anführungszeichen gesetzt. Mit Hilfe der fast solistisch auftretenden Piccoloflöte jubelte die Musik rauschhafter und enthusiastischer, als es die meisten Dirigenten zulassen. Und dafür gab es angesichts der Erfolge dieser Orchesterakademie auch jeden Grund.

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