So war der Auftritt von Bob Dylan

Bob Dylan macht auf seiner endlosen Tour einen Stopp in der Regensburger Donauarena
Dominik Petzold |
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Bob Dylan macht auf seiner endlosen Tour einen Stopp in der Regensburger Donauarena

Bob Dylan ist um Punkt acht Uhr da, die Regensburger nicht. Die stehen auf den Straßen der Weltkulturerbe-Stadt, im Stau vor der Donauarena. Ein Drittel der Stühle ist noch leer – aber dem Weltkulturerbe auf der Bühne ist das wurscht.

Bob Dylan fängt mit „Things Have Changed“ an, als die Dinge in der Arena noch im Wandel sind. „Don’t Get Up, Gentlemen, I’m Only Passing Through“, singt er. Die Leute in der Arena stehen derweil auf, um die zu spät Gekommenen zu ihren Stühlen zu lassen.

Weiter ziehen: Nach diesem Prinzip tourt Bob Dylan seit 1988 durch die Welt. Er kann nicht jedes Jahr in den Metropolen spielen, und so landet er auch mal in einer Eishockeyhalle in der Oberpfalz.

Im Jahr 2000 war er schon mal hier, damals zündete er eine spektakuläre Rock’n’Roll-Show. Die Songs kamen wie immer in neuen Arrangements daher, aber es gab einen Haufen Hits, und das Publikum konnte bei „Like A Rolling Stone“ mitsingen.

Für Historiker

Das würden die Zuschauer sicher auch diesmal gerne. Die meisten sind eher keine Hardcore-Fans und Dylan-Exegeten, sondern einfach gekommen, weil ein Weltstar in der Gegend ist. Doch bald fragen sie sich: Welcher eigentlich? Wer Dylans stets wandelnde Kunst von 1961 bis 2014 verfolgt hat und dann ein Jährchen ausgestiegen ist, hat keine Ahnung, was hier gespielt wird.

Jetzt ist Bob Dylan bei der Zeit vor Bob Dylan angekommen. Bei Songs einer Ära, die er vor fünfzig Jahren zur Musik der Alten gemacht hat.

Der Alte spielt Standards der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Manche davon hat er auf „Shadows In The Night“ gesungen, doch live klingen „I’m A Fool To Want You“ oder „The Night We Called It A Day“ ungleich betörender. Dylans Fünf-Mann-Band schafft einen schummrigen Sound, die Musiker sind wie alle Meister Minimalisten, kein Ton ist zu viel. Charlie Sextons Gitarrenlicks und Donnie Herrons Hawaii-Klänge auf der Pedal Steel verschmelzen zu einem einzigen großen Seufzer.

Darüber croont Dylan mit einer Präzision, als ob er ein Leben lang Frank Sinatra-Songs gesungen hätte. Solch große Melodiebögen gab’s in seinen eigenen Songs nie, doch gerade bei diesen entfaltet seine raue, vom Leben geformte Stimme eine berührende Aura. Die Beleuchtung passt perfekt zu dieser Musik: Stehleuchten und riesige altmodische Bühnenspots sorgen für gediegene Ballsaal-Atmosphäre.

„Blowin’ In The Wind“ in einer sehr speziellen Fassung

Die andere Hälfte des Programms besteht vor allem aus neueren Dylan-Liedern. Die haben keine Melodien, hier ist alles Rhythmus und Phrasierung. Und dafür hat Dylan ein genialisches Gespür, auch als Pianist. „Beyond Here Lies Nothin’“ treibt er am Flügel mit variierend wiederkehrenden Pentatonik-Figuren nach vorne, ebenso „Early Roman Kings“, einen Blues mit irrem Galeeren-Groove.

Gegen Ende des Songs steigt Charlie Sexton ein, greift Dylans Figuren kongenial auf, Schlagzeuger George Receli und Bassist Tony Garnier machen einmal kurz Druck – der musikalisch e Höhepunkt der Show. Dann greift Receli wieder zu Schlägeln oder Besen, leise und gediegen geht’s weiter, und wenig später beendet der Jazz-Klassiker „Autumn Leaves“ das Programm.

Als Zugabe spielt Dylan dann „Blowin’ In The Wind“ in einer Fassung, die entfernt an Sam Cookes Version erinnert, an seine eigene Plattenaufnahme natürlich kein bisschen. Als der letzte Zuschauer das Lied erkannt hat, ist’s schon fast wieder vorbei.
Dann gibt es noch ein düster funkelndes „Love Sick“, das Licht auf der Bühne wird hell, und zum Abschied blicken Dylan und seine Band zehn Sekunden lang regungslos ins Publikum. Diejenigen, die ein paar seiner ein-, zweihundert Songklassiker erwartet haben, können sich zumindest optisch noch einmal versichern: Ja, dieser Mann ist wohl Bob Dylan.

 

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