So war das Konzert von Katy Perry - die AZ-Kritik
Wenn schon Prisma, dann überall Prisma. Die Dreiecksform durchzieht das ganze Konzert von Katy Perry in der Olympiahalle und prägt sich dem Auge wie ein Label ein: Aus einer Pyramide steigt die dreißigjährige Sängerin aus Kalifornien, um mit „Roar“ die Show im Neon-Minirock-Look zu eröffnen. In der Ägypten-Phase des zweistündigen Spektakels steigt eine Stahlkonstruktion in Pyramidenform in den Bühnenhimmel, an dem Perrys Tanz-Crew herumklettert und sie sich selbst an der unteren Spitze im Kreis dreht. Auf einem Dreieckspodest gibt Perry später mit „Wide Awake“ die hellwache Step-for-Step-Einpeitscherin und fordert gegenseitigen Energieaustausch: München, du sollst toben.
Hinten laufen auf einer Screen in Prisma-Form hochaufgelöste Videos, die eingespielt werden, damit Perry sich indessen ins nächste irre Kostüm werfen kann. Einmal sieht man sie im Video in einer dreieckigen Gummizelle, Perry in der Zwangsjacke, wahnsinnig werdend. Das ist der einzig klar psychotische Moment des Konzerts, aber Perry befreit sich im Bild und wird mit knallbunten Farben beworfen.
Raus aus den Zwängen
Womit alles gesagt ist: Raus aus allen Zwängen, Kopf ausschalten und ab ins knallbunte Vergnügen. Denn um vielseitige Reflektion geht es nicht, auch wenn Perrys viertes Studioalbum „Prism“ heißt und ihre Welttournee danach benannt ist.
Vielmehr haben ihre Showprofis jeden einzelnen Gedankenstrahl in tausend Splitter gebrochen, bis man angesichts des Overkills nur noch tanzen und kreischen kann, wie es das Publikum, weiblicher Teenageranteil: hoch, dann auch tut.
So durchläuft Perry eine Mega-Glitzer-Neon-Show in verschiedenen Stadien, die jeweils einem Begriff zugeordnet sind, was ältere Semester vielleicht von ARTE-Themenabenden kennen mögen. Nur dass hier der Anspruch nicht ganz so hoch angesetzt ist.
Selfie mit Katze
Eine Zeit lang dreht sich beispielsweise alles um Katzen: Katy singt im Pink-Panther-Look, ihre TänzerInnen sehen aus, als ob sie einer Trash-Version des Musicals „Cats“ entsprungen sind und als hirnsprengender Höhepunkt legt eine Mietze vorne am Catwalk eine Stepp-Einlage ein, was schlichtweg lustig ist.
Die Fans werden nun mal als Katycats bezeichnet, die von Oberkatze Perry gehörig gestreichelt werden. Zwischendurch holt sie sich eine junge Augsburgerin heraus, um mit ihr ein Selfie zu schießen, nicht ohne davor gefragt zu haben, was „Selfie“ denn auf Deutsch heißt und groß zu staunen, dass wir auch „Selfies“ haben. Da freut sich die US-Kulturbotschafterin über die globale Worteinheit. Aber gut: Immerhin lernt sie bei der kleinen Deutschstunde, die sie sich von den Fans geben lässt, wichtige Formeln wie „Lass uns Bier trinken.“
Ach ja, Musik gab es auch. In einer Ecke spielt eine kleine Band, deren Instrumente auch leuchten und glitzern müssen, deren Mitglieder aber, so gehört es sich bei so einer Star-Spektakel, nie vorgestellt werden. Von der Schwemme der eingängigen Dance-Pop-Hits, von „I kissed a girl“ bis „E.T.“, fließt sicherlich einiges vom Band. Aber live klingt es schon, wenn Perry sich mit kleinem Ensemble zu einem Akustik-Set vorne an der Rampe versammelt, nachdem sich ein riesiger Sonnenblumenregenschirm über das Publikum in der Bühnenmitte gespannt hat.
Kitsch
Balladen wie „The One that got away“, die Perry mit starker Stimme singt, sind hundertprozentiger Kitsch. Aber Kitsch gilt im Popzirkus als Kunst, besonders, wenn er so überbordend, trashig und selbstbewusst inszeniert wird wie bei Perry. Das kann bis zum optischen Brechreiz gehen, gerade, wenn aus dem Bildreservoir des Mangas geklaut wird und riesige Luftballons, darunter ein Kothaufen, durch die Halle schweben.
Und manchmal ist es auch einfach richtig schön: Zu „Walking on Air“ wellt sich ein himmelblaues Tuch über die Fans in der Mitte und Perry, sicher angegurtet, wandert hoch in der Luft über ihnen durchs Olympiastadion. So schwerelos, wie es sich für eine Königin des luftigen Spaß-Pops gehört, die aber auch gerne zum Boden zurückkehrt, um mit dem einen oder anderen Fan ein Selfie zu machen.
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