Simon Rattle dirigiert Mahler
München - Teodor Currentzis machte bei Mahlers Fünfter vor gut einer Woche eindeutig zu viel. Seiner manierierten, im Tempo übermäßig torkelnden und zwischen himmelhohem Jauchzen und tiefster Betrübnis gebeutelten Sicht stellte Simon Rattle mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der Isarphilharmonie nun eine ziemlich nüchterne Version der Siebten entgegen. Und bei allem Respekt gegenüber der Spielkultur des Orchesters: Der ganze Mahler war das leider auch nicht.

Die Fünfte und die Siebte verbindet ein trauermarschartiger Beginn und ein rätselhaft überlustiges Finale. Man kann diese Musik vom ersten bis zum letzten Takt durch eine Verlangsamung in Anführungszeichen setzten, wie es Otto Klemperer getan hat. Man kann die Extreme betonen und den finalen Jubel ins Parodistische und Karnevaleske ziehen, wie es Pierre Boulez einmal live mit den Wiener Philharmonikern in Salzburg gelungen ist. Entscheidend ist aber, dass man sich irgendwie entscheidet.
Alles sehr kultiviert
Und davor schien sich Simon Rattle drücken zu wollen. Er setzte mehr auf eine Darstellung und überließ dem Zuhörer die Deutung dieser Symphonie.

An Mahlers Wort "Hier röhrt die Natur" erinnerte beim Solo des Tenorhorns wenig, alles wirkte brav zivilisiert und ohne jede Triebhaftigkeit. Bei der auftrumpfenden Schichtung verschiedener Themenkomplexe am Ende des ersten Satzes dominierte eine Orchesterdisziplin auf allerhöchstem Niveau. Wenn sich drei Tamburinspieler bemühen, möglichst nicht weiter aufzufallen und der überschäumende Exzess den Rahmen symphonischer Benimmregeln bleibt, wird diese Passage allerdings verfehlt.
In den beiden Nachtmusiken und dem schattenhaften Scherzo verliebte sich Rattle in die allzusüßen Richard-Strauss-Effekte. Zwielichtiger Dämmer stellte auch allerdings auch nicht ein: Dafür wurde das meiste viel zu direkt gespielt.
Das Finale: ungelöst
Das Problem jeder Aufführung der Siebten ist das Finale mit seinem banalen Hauptthema und dem absurdesten aller Mozart-Zitate: einer stampfenden Stelle aus einem lärmenden Janitscharenjubelchor der "Entführung aus dem Serail". Das alles wurde fleißig abgearbeitet. Erst ganz am Schluss drehte das Orchester richtig auf. Das ist allerdings ein Missverständnis: Dieser Schlusssatz funktioniert anders als ein Bruckner-Finale.
Klug war die Verbindung mit Harrison Birtwistles "Donum Simoni MMXVIII" für Bläser und Schlagwerk, dessen Tuba-Soli eine Verbindung zum Tenorhorn im gleich darauf folgenden Kopfsatz der Siebten herstellte. Bleibt als Fazit: Currentzis' Mahler mag übertrieben sein. Rattle bleibt zu maßvoll. Irgendwas in der Mitte, das wär's.
Am 14. und 15. November kombiniert Rattle um 20 Uhr in der Isarphilharmonie Bruckner mit Werken von Ligeti, Wagner und Webern