Kritik

Simon Rattle dirigiert "Idomeneo"

Eine so gut wie perfekte Aufführung von Mozarts Oper im Herkulessaal
von  Robert Braunmüller
Simon Rattle und Elsa Dreisig im Herkulesaal.
Simon Rattle und Elsa Dreisig im Herkulesaal. © BR/Astrid Ackermann

Die Routine im Opern-Normalbetrieb ist der Feind des Besonderen. In diese Sphäre gehört Mozarts frühes Meisterwerk "Idomeneo". Weil diese 1781 für den Münchner Hof komponierte Opera seria eher nicht viel erzählt, was den heutigen Besucher auf der Bühne interessieren könnte, ist es besser, sich voll und ganz auf die Stärken der Musik zu konzentrieren. Daher eignet sich die unterkühlte kalte Form der konzertanten Aufführung dafür besser als gequält bleibende szenische Bemühungen.

Simon Rattle beschäftigt sich seit Jahren mit dieser Oper, und nicht nur deshalb gelang ihm mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eine herausragende, wenn nicht optimale Aufführung dieses schwierigen Werks. Der Stil war eher zwanglos historisch informiert, mit einem ideal zwischen den Streichern und Bläsern ausbalancierten, schlanken Klang. Und den Fehler vieler konzertanter Aufführungen, sich undramatisch in der Musik zu verlieren, wurde auch vermieden.

Eine große Liebende

Das war nicht zuletzt ein Verdienst der exzellenten Sänger, denen es staunenswert gelang, ihre Figuren mit rein musikalischen Mitteln nur zu beleben, sondern auch zu interpretieren. Magdalena Kožená charakterisierte mit ihrem klaren Mezzo den Idamante als humanen Idealisten. Elsa Dreisig verstand die Elettra als große Liebende - mit dem Vorzug, dass auch Lyrisches wie die Arie "Idol mio, se ritroso" im zweiten Akt auf Augenhöhe mit der tragischen Raserei im ersten und dritten Akt ereignete. Ihr eher dunkler timbrierter Sopran kontrastierte mit der hellen Stimme von Sabine Devieilhe (Ilia), die das liebende Selbstbewusstsein der Figur betonte.

© BR/Astrid Ackermann

Überzeugende Damen in "Idomeneo" sind selbstverständlich. Aber die extrem fordernde Titelpartie wurde schon sehr lange nicht mehr so präzise gesungen wie von Andrew Staples. Sein eher heller, leicht nasaler Tenor wirkt anfangs nur mittel attraktiv. Doch was der Sänger mit seinem Material macht, ist faszinierend. Staples vermag die Kraft und Koloratursicherheit fordernde Extrem-Arie "Fuor del mar" mit jenem virtuosen Überschuss zu singen, den eine Bravournummer der Opera seria des 18. Jahrhunderts ausmacht. Wenn er dem Sturm am Ende des zweiten Akts entgegentritt, tut er das mit überwältigender heroischer Kraft, und auch die Melancholie des Abschieds im dritten Akt ist diesem Interpreten gegeben.

Großartige Herren

Das ist schon mehr, als man erwarten darf. Aber es gab noch zwei weitere exzellente Tenöre: Linard Vrielink durfte die - üblicherweise gestrichenen Arien des Arbace singen, die so schwer wie undankbar sind. Selbst der fanatischste Mozart-Verehrer war aber wohl über den Strich in der zweiten Nummer dankbar. Allan Clayton machte als Einspringer die kurze Szene des Oberpriesters zum Ereignis. Die einzige tiefe Partie, das Orakel, sang Tariq Nazmi mit Autorität vom Rang aus - erfreulicherweise in einer längeren und eher selten zu hörenden Version dieser von Mozart in vier Fassungen hinterlassenen Stelle.

Linard Vrielink, Andrew Staples, Simon Rattle, Magdalena Kozena, Elsa Dreisig und Sabine Devieilhe beim Schlussapplaus (von links).
Linard Vrielink, Andrew Staples, Simon Rattle, Magdalena Kozena, Elsa Dreisig und Sabine Devieilhe beim Schlussapplaus (von links). © BR/Astrid Ackermann

Die Ballette fehlten, was in einer konzertanten Aufführung verschmerzbar ist. Dafür brachte Staples eine Kurzfassung der in Opernhäusern fast immer gestrichenen Finalarie Idomeneos zu Gehör. Insofern gab es auch für Kenner der Oper überraschend Neues, das den spontan stehenden Beifall am Ende absolut rechtfertigte. Dieser "Idomeneo" war ein Ereignis, das man nicht so schnell vergessen wird.

Noch einmal am Dienstag, den 19. Dezember um 19 Uhr im Herkulessaal, einzelne Restkarten. Allan Clayton singt dort am 18. Dezember um 20 Uhr unter Rattle die "Winterreise" in Hans Zenders Bearbeitung, ebenfalls Restkarten

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