Sigur Rós im Circus Krone: Im Sägewerk der Emotionen
Eigentlich sollten Sigur Rós im Zenith auftreten, dort also, wo die isländische Band um Lead-Sänger Jónsi schon früher Konzerte gegeben hat. Rund 1.400 verkaufte Tickets führten jedoch zu einer Verlegung in den wesentlich kleineren Circus Krone. Auch die Großen des düster-träumerischen Post-Rocks sind vor dem Zuschauerschwund aufgrund der Corona-Angst und des Konzert-Overkills offenbar nicht gefeit.
Besondere Intimität: Sigur Rós im Circus Krone statt Zenith
Die Verlegung erwies sich jedoch als Glücksfall. Während das Zenith mit seinem alten Werkhallen-Charme durchaus zur Musik von Sigur Rós mit seinen industriellen Noise-Momenten passt, bietet der Circus Krone eine besondere Intimität. So nah war das Münchner Publikum Jónsi und seinen Begleitern noch nie, so direkt konnte man sich noch nie von den minimalistischen Kompositionen, die oft von kleinen Piano- und Gitarrenmotiven zum melancholischen Bombast anschwellen, überwältigen lassen.
Eigentlich ist die Musik von Sigur Rós ja introspektiv; man ist sich sicher, dass hier einem trotz der gewohnt unverständlichen Gesangsmischung aus Isländisch und Fantasiesprache innere, bevorzugt traurige Seelenzustände mitgeteilt werden, mit Jónsi als unermüdlichem Leidensmann, der mit Georg Hólm am Bass, Kjartan Sveinsson am Keyboard und Ólafur Björn Ólafsson an den Drums doch starke Signale nach außen funkt.
Unterstützt wird dieses gemeinschaftliche Schwelgen in einer Schwermut, die ins kindlich-verspielte Schweben kommen, aber auch abrupt in laut klaffende Abgründe abstürzen kann, von einer fulminanten Licht- und Videoshow, die den musikalischen Wellenbewegungen optisch entspricht, wenn etwa die Lampen nacheinander aufblinken und Linien auf der Leinwand sich kräuseln.
Unheimlich abgründig und sehr oft wunderschön
Visuell ist das ein ständiger Wechsel vom Vagen ins Konkrete, von schemenhaften Strukturen zu Köpfen und Gesichtern, die teils mit laserhaften Linien klar konturiert sind, Rot ist dabei die bevorzugte Farbe.
Man steckt im Kopf von Jónsi, dem Mastermind, der seine Stimme im Falsett wundersam schwingen lässt und bei den wuchtigen Höhepunkten mit dem Cellobogen seine Gitarre so kräftig bearbeitet, als ob da jemand im Sägewerk der Emotionen ein besonders dickes Stück herausschneiden will.
Beeindruckend ist das, manchmal unheimlich abgründig und sehr oft wunderschön. Ein neues Album soll demnächst herauskommen, einige neue Songs haben Sigur Rós im Konzert gespielt, die sich nahtlos in das Gesamtkunstwerk einfügen. Es würde einen wundern, wenn sie beim nächsten Mal nicht wieder im Zenith spielen. Umso einmaliger die Erinnerung, sie im lauschigen Circus Krone erlebt zu haben.
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