Sie strahlen wie ein Reaktor
München hat hier Standortvorteil. Ein hölzernes Schaukästchen mit den Dingen von gestern: Pfeife, Schlips und sepiagetönte Fotos. So sieht Schlagzeuger Flo Weber die von ihm selbst gesungene Nummer „Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden”. In der Galerie Truk Tschechtarow sind die 13 neuen Songs des neuen Sportfreunde-Stiller-Albums zu hören, erweitert um 13 Kunstwerke des Schlagzeugers. Sein das „Weiße Rößl” zitierender Song konfrontiert Operettenerinnerung mit Eitelkeit und Sadomaso. Kess spaßig.
Vier Jahre nach ihrem in den Bavaria-Filmstudios aufgenommenen Werk „MTV Unplugged in New York”, sieben Jahre, nachdem Deutschland „’54, ’74, ’90, 2006” grölte und die Deutschen dann doch nicht im WM-Finale standen, versuchen sie die Neubelebung des kneipensympathischen Stadionrocks. Während sich die akustische Gitarre einschunkelt und das Keyboard sonnig orgelt, singt Peter Brugger: „Ich hab heut wieder keinen Hit geschrieben”.
Die Sportfreunde Stiller sind Partyhasen für die Fete mit Abitur-Anspruch: „Sing doch mal gelegentlich eine Hymne auf dich” – so geht das los. Das Akkordebaggern der normiert verzerrten E-Gitarre, später viele Streicher. „Wunder fragen nicht” ist deutschpoppiger Erbauungsschmonz, der auch dadurch nicht besser wird, dass Brugger herausfordert: „Nenn es Kitsch.” Schon geschehen.
Die Stärke der Sportfreunde auf diesem Album sind die Anspielungen auf vergangene Pop-Epochen, locker eingebaut in ihre Welt. „Wir strahl’n wie ein Reaktor, nach ’nem Pilzrisotto” – nicht nur der Einstieg in den Titelsong hat etwas von Rio Reisers Frechheit auf seiner unterschätzten 80er-Produktion „Rio I.”. „Lederjacke” zitiert mit Rüdiger Linhofs Knurrbass und Off-Beat-Knüppelei deutsche Pogo-Seligkeit. „Let’s Did It” ist lustiger als es die Neue Deutsche Welle je gewesen ist. Und mit etwas über zwei Minuten sogar noch kürzer.
Sportfreunde Stiller: „New York – Rio – Rosenheim” (Universal Music / Vertigo), Ausstellung: Galerie Truk Tschechtarow, Haimhauserstraße 16a, bis 30. Mai 2013, Mo bis Fr 17 bis 22, Sa, So 14 – 19 Uhr
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