Showdown in der Elbphilharmonie: John Eliot Gardiner gegen sein Ensemble

Das Duell Constellation Chor vs. Monteverdi Choir in Hamburg
von  Robert Braunmüller
John Eliot Gardiner.
John Eliot Gardiner. © picture alliance / Bea Kallos/MTI/dpa

Vor etwas mehr als einem Jahr soll damals 80-jährige Dirigent einen Sänger hinter der Bühne geohrfeigt oder zumindest massiv angerempelt haben. Der unter Musikern als Grobian berüchtigte John Eliot Gardiner entschuldigte sich und übergab die Europa-Tournee mit Hector Berlioz' Oper "Les Troyens" seinem Assistenten Dinis Sousa.

Gardiner sagte daraufhin alle weiteren Engagements ab, nahm keine weiteren an und begann nach eigener Aussage eine Therapie. Auch sein alljährlicher - und meistens eher mäßiger - Auftritt mit dem BR-Symphonieorchester entfiel.

Trennung nach 60 Jahren

Ans Aufhören scheint Gardiner aber nie gedacht zu haben: Im Juni hatte er sein Comeback in Montpellier. Die Zusammenarbeit mit dem von ihm gegründeten Monteverdi Choir und dem dazugehörigen Orchester English Baroque Soloists schien aber nachhaltig gestört: Im Juli ging man nach 60 Jahren Zusammenarbeit auseinander. "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es für mich und für den Monteverdi Chor am besten ist, anzuerkennen, dass jetzt eine klare Veränderung in unserer Beziehung notwendig ist, zum Wohle beider Seiten", verbreitete damals seine Agentur als Zitat Gardiners.

Zwischenzeitlich hat der Dirigent ein neues Orchester samt Chor gegründet. Es nennt sich The Constellation Choir & Orchestra. Dabei handle es sich um ein "ein einzigartiges neues Projekt, ein lebendiges Kollektiv aus Musikensembles, Künstlern und Kreativen", heißt es in einer Mitteilung. Wie bei allen Ensembles dieser Art handelt es sich um eine eher lose, projektbezogene Gruppe aus freien Musikern, die offenbar trotz der Vorfälle noch immer an Gardiners Charisma und seinen Marktwert glaubt. Und wahrscheinlich ist auch ein Teil des bisherigen Ensembles wieder dabei.

John Eliot Gardiner in Leipzig.
John Eliot Gardiner in Leipzig. © picture alliance / dpa

Der Monteverdi Choir hat sich allerdings nicht aufgelöst. Das führt nun zu der absurden Konstellation, dass Gardiners altes und sein neues Ensemble kurz hintereinander und mit identischem Programm in der Elbphilharmonie auftreten.

Zweimal ein identisches Programm

Am 7. Dezember dirigiert der 81-Jährige Dirigent in Hamburg Marc-Antoine Charpentiers "Messe de minuit", gefolgt von den Bach-Kantaten "Schwingt freudig euch empor" und "Unser Mund sei voll Lachens". Am 14. Dezember gibt es das identische Weihnachtsprogramm gleich noch einmal mit dem Monteverdi-Chor unter dem Franzosen Christophe Rousset - vorsichtshalber allerdings mit anderen Gesangssolisten.

John Eliot Gardiner bei einem Auftritt in Hannover.
John Eliot Gardiner bei einem Auftritt in Hannover. © imago/localpic

"Nur in der Elbphilharmonie gibt es die weltweit einmalige Gelegenheit, dieses spezielle Programm innerhalb kürzester Zeit in beiden hochkarätigen Interpretationen zu hören", heißt es in einer Mitteilung. "Kund:innen, die bereits Karten für das Konzert mit den English Baroque Soloists und dem Monteverdi Choir am 14. Dezember gekauft haben, können den Termin auf Wunsch auch wechseln."

Immerhin ist der Abstand der Konzerte groß genug, so dass Rempeleien im Backstagebereich der Elbphilharmonie oder am Hamburger Flughafen nicht zu befürchten sind. Angesichts einer Musik-Szene, in der jeder jeden kennt und Spezialisten rar sind, ist allerdings nicht auszuschließen, dass an den hinteren Pulten oder im Chor einzelne Musiker beide Konzerte bestreiten.

Und eins ist auch sicher: Den Moment, dann aufzuhören, wenn's am Schönsten ist, hat John Eliot Gardiner auf jeden Fall verpasst.

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