Schön, anspruchsvoll und ein bisschen melancholisch
Latino-Rhythmen donnern durchs Café. Ohne mit der Wimper zu zucken steuert Anna Gourari eine Holzbank in der Ecke an. Sie mag das Cotidiano am Gärtnerplatz, hier gibt’s das Kontrastprogramm zu ihrer Klavierkunst. Komisch also, gerade hier über die neue Bach-CD zu plaudern. Denn neben klassischen Busoni-Bearbeitungen, bietet die Scheibe herrlich Vergrübeltes von Sofia Gubaidulina. Oder Widerspenstiges von Hindemith. Ein Mix übrigens, der zeigt, dass von Anna noch einiges zu erwarten ist.
AZ: Frau Gourari, Sie sind im Allerheiligsten gelandet.
ANNA GOURARI: Das wäre?
Bitte, Sie gehören seit Kurzem zum erlesenen Kreis der ECM-Künstler – von Keith Jarrett bis Gidon Kremer.
Das ist allerdings eine große Ehre. Schon die Sorgfalt, mit der alles gemacht wird, ist unglaublich. Manfred Eicher, der Chef des Plattenlabels, gestaltet von Anfang an mit.
Inwiefern?
Wir haben das Programm in vielen Gesprächen entwickelt. Natürlich war er bei den Aufnahmen dabei und bei seiner Klangeinstellung dachte ich nur: wow! Aber das geht bei ihm ja weiter bis zum Booklet und der Auswahl der Fotos.
Klingt nach Perfektionismus.
Für mich war das ein absoluter Glücksfall. Auch so ein Programm aufzunehmen, ist alles andere als selbstverständlich.
Mit Gubaidulina und Co. landet man keinen Kassenschlager. Konzertveranstalter winken da oft sofort ab.
Man traut dem Publikum viel zu wenig zu. Bei ECM spielen marktstrategische Überlegungen keine besondere Rolle, es geht um die Qualität.
Nimmt Manfred Eicher Einfluss auf die Interpretation?
Das will er vermutlich gar nicht, aber er äußert natürlich seine Gedanken. Eine Bach-Bearbeitung von Alexander Siloti erschien mir dadurch plötzlich in einem ganz anderen Licht. Der künstlerische Prozess entwickelt sich noch während der Aufnahme, das ist unglaublich spannend.
Sie haben sich die letzten Jahre rar gemacht, das Label gewechselt. Wollten Sie sich orientieren, neu finden?
Ich bin in dieser Zeit ja auch Mutter einer Tochter geworden, damit beginnt sowieso eine ganz neue Phase.
Die nächste Pianistin im Hause Gourari?
Sie ist ja noch klein, klimpert zwar ganz gerne, aber das muss sich ergeben.
Sie hatten als Kind eine vergleichbare Situation, Ihre Eltern sind Pianisten.
Und beide unterrichten. Das Klavier gehörte einfach dazu, ich dachte, das ist bei allen so.
Es gibt einen Film über „Russlands Wunderkinder”, da spielt der Drill eine unglaubliche Rolle, auch die Konkurrenz. Wie war das bei Ihnen?
Ich war auf einer speziellen Musikschule, das war schon sehr hart. Jeden Tag drei, vier Stunden üben – zusätzlich zur Schule und den Hausaufgaben. Aber ich habe unglaublich viel gelernt. Vielleicht auch, mich zu überwinden. Seien wir ehrlich, kein Kind übt gern stundenlang. An einer solchen Schule sieht man aber auch, was man erreichen kann, das spornt schon an.
Wie ehrgeizig sind Sie denn?
Als Kind war ich das gar nicht, die Lehrer haben uns schon auch dazu erzogen, Ehrgeiz zu entwickeln. Aber über allem stand die Qualität, es ging nie um den tollen Effekt auf der Bühne.
Sie wohnen im Gärtnerplatzviertel und üben sicher immer noch sehr viel. Ein Problem?
Sie werden lachen, aber ich habe unglaubliches Glück mit meinen Nachbarn, sie genießen es, und keiner hat sich je beschwert.
Sie haben kleine Hände...
Neiiin!
Gut, es gibt kleinere. Aber Sie müssen sicher gut aufpassen. Dürfen Sie Skifahren?
Höchstens Langlauf.
Und Zwiebelschneiden?
Äußerst vorsichtig.
Schauen Sie deshalb so traurig auf Ihren Platten-Covers?
Finde ich gar nicht. Auf der Chopin-CD lächle ich sogar.
Aber eine melancholische Seele sind Sie schon?
Ich bin für alles offen.
CD: Anna Gourari, Canto Oscuro, ECM New Series;
Konzerte: 3. Dezember 2012 – Akademie der Schönen Künste, 19 Uhr, Musik von Shchedrin;
27. Januar 2013 – Philharmonie, Klavierkonzert für drei Klaviere mit dem Bach Collegium;
27. Februar 2013 – Prinzregententheater, Shchedrins Concerto Lontano mit dem Rundfunkorchester
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