Schläge mit dem stumpfen Gegenstand
Paul Hindemiths Oper „Cardillac“ unter Stefan Soltesz konzertant im Prinzregententheater
Die erotische Literatur kennt fünzig Schattierungen von Grau. Paul Hindemith konnte gewiss zwanzig Abstufungen dieser Farbe komponieren. Leider dirigierte Stefan Soltesz nur eine davon: Orchesterbeton. Die aber vor allem in der Nuance „Schlag mit dem stumpfen Gegenstand".
Mit ehrlicher Kapellmeisterei, wie Soltesz sie beherrscht, kommt man bei Hindemiths Oper „Cardillac“ in der Urfassung von 1926 kaum weiter. Die barockisierende Musik ist harsch, grell und sperrig instrumentiert. Ständig haut einer die Trommel oder das Becken. Eine klangliche Idee wäre bei der Interpretation hilfreich. Soltesz und das wackere Münchner Rundfunkorchester orientierten sich am Stil unserer Nationalmannschaft damals unter Berti Vogts: Sie spielten mit dem Rumpelfuß.
Von ein paar zarten Bläsersoli abgesehen, ereigneten sich etwa 90 der 100 pausenlosen Minuten im Forte oder oberhalb davon. Das wackere Orchester und der Prager Philharmonische Chor schwelgten ebenso im Martellato wie die Sänger. Juliane Banse (Tochter) schien trotz Erkältung glücklich im dramatischen Fach angekommen. Markus Eiche (Cardillac) und Torsten Kerl (Offizier) sangen laut und gut, subtilere Gesangskünste waren nicht gefragt.
Der Bayerische Rundfunk übertrug die Aufführung löblicherweise in Bild und Ton ins Internet. Zu diesem Zweck blendeten drei Scheinwerfer die Zuschauer. So wurde der Abend in jeder Hinsicht zum schmerzhaften Gesamtkunstwerk.