Saisonbeginn mit Valery Gergiev
Von seinem französischen Vorgänger Hector Berlioz hat Richard Strauss mehr gelernt als weithin reflektiert wird. Die beiden kompositorischen Feuerköpfe sollten im Konzert also gut zusammenpassen. So stellten es sich zumindest Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker vor.
Warum löst man einen einzelnen Akt aus einer Oper?
Dennoch lässt dieses Programm, was man dem Applaus anmerkt, das Publikum leicht ratlos zurück. Das liegt nicht an den Komponisten, sondern daran, dass sich musikalisch kein Grund dafür findet, warum ausgerechnet der aus seinem Zusammenhang gelöste fünfte und letzte Akt von Berlioz’ „Die Trojaner“ konzertant gegeben wird. Weder kann er dramaturgisch für sich stehen, noch enthält er besonders eingängige Nummern. Da hätten andere, auch vokale, Werke mehr Sinn gehabt. Oder noch besser: Warum bietet Gergiev nicht bald eine konzertante Aufführung des ganzen Werkes an?
Zugang zu hervorragenden Sängern hat er ja durch seine jahrzehntelange Herrschaft am St. Petersburger Mariinsky-Theater genug: Den Énée verkörpert Sergej Semishkur mit einem idiomatisch hellen, scharf gerandeten Tenor, der ähnlich hörenswerte Hylas Evgeny Akhmedovs wirkt durch das Dirigat an manchen Stellen ein wenig gehetzt. Yulia Matochkinas phantasievoll und affektsicher gestaltete Didon würde, genau so wie der Münchner Philharmonische Chor (Einstudierung: Andreas Herrmann), Lust auf mehr machen.
Diesem lebendigen Agieren können die Münchner Philharmoniker nicht genügend Initiative entgegensetzen, zu vorsichtig wird die ungewohnte Partitur angefasst. Darüber hinaus macht der Verzicht auf Vibrato allein noch keinen Berlioz-Klang aus. Er führt nur zu einem dünnen Streicherklang.
Schwerer wiegt, dass sich keine dramatische Atmosphäre ergeben kann, weil es Gergiev versäumt, die einzelnen Nummern zu einer mitreißenden Linie zu verbinden. Dies ist auch durch die Verkürzung einer vierstündigen Oper auf ihr Finale erschwert, weil sowohl Musiker wie auch Hörer ja kurz vor Schluss in ein Stück einsteigen, ohne das Vorhergehende erlebt zu haben. Das ist etwa so, als würde man einen Kriminalfilm erst zur Auflösung einschalten.
Bei Gergiev ist der „Don Juan“ plausibler als das „Heldenleben“
Dagegen haben es die in sich abgeschlossenen Tondichtungen von Strauss leichter. Der „Don Juan“ wird plausibler auf die Bühne gestellt als das „Heldenleben“. In diesem müssten die so vielen interessanten Nebenereignisse, zumal in den Holzbläsern, gegenüber den Hauptstimmen sorgfältiger herausgearbeitet werden und das Schlagzeug ist manchmal zu massiv. Selbst der sonst so zuverlässige Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici intoniert das ausgreifende Violinsolo eher spontan als genau. Allzu genügsam nimmt es Valery Gergiev, wie es eben kommt und bleibt so hinter der feinen Richard-Strauss-Kunst zurück, die Kirill Petrenko derzeit mit dem Bayerischen Staatsorchester anbietet.
Wieder am Samstag, den 17. 9., Philharmonie, 19 Uhr