Rolando Villazón singt Mozart
Der mexikanische Tenor und das Kammerorchester Basel mit Arien von Mozart im Gasteig
Es lebe die Postmoderne! Alles ist erlaubt, auch wenn die Puristen aufjaulen, die Mozart instrumental und mit klarer Linie gesungen mögen. Aber seine Arien lassen sich mit italienisch geschulter Stimme interpretieren – wenn der Sänger Charakter mitbringt.
Den hat Rolando Villazón im rechten Maß. Er schafft es, auch mit ziemlich unbekannten Resten aus Mozarts Werkstatt die Philharmonie zu füllen – weil er unmittelbar und gefühlsbetont singt, ohne sich um Stilfragen zu scheren. Dazu passt auch ein im gemäßigten Originalklang aufspielendes Orchester wie das Kammerorchester Basel, obwohl diese wilde Mischung eigentlich ein Sondereinsatzkommando der Geschmackspolizei mit Blaulicht in den Gasteig rufen müsste.
Villazón erschien im weinroten Smoking. Er lächelte zu einem Flöten-Solo: Schon war das Publikum gefangen. Dass seine Stimme eng und in der Höhe angestrengt klingt, interessierte niemanden. Der Voll-Einsatz, mit dem sich der Mexikaner auf Mozarts Einlage-Arien für Opern seiner Kollegen stürzte, machte alles wett – auch das federnde, in den Einsätzen fahrige und manchmal halbherzige Spiel der von ihrem Konzertmeister Florian Donderer angeleiteten Musiker.
Chaplin und Buffo-Kunst
Nach der Pause wurde Mozarts Prager Symphonie nach altem Brauch durch Gesangsnummern unterbrochen. Zum Beschluss des offiziellen Teils huldigte Villazón hingebungsvoll dem Salzburger Fürsterzbischof Sigismund Schrattenbach. Nach so viel ernster Opera seria holte er Chaplins Spazierstock aus der Garderobe. Als Zugabe sang er die saukomische Buffa-Plapperarie „Clarice cara mia sposa“, bei der das Orchester weitere Rollen übernahm. Ein Kunst-Verbrechen, dass Paisiello, Rossini & Co. ihre Tenöre nur schmachten lassen und die Witze allein tiefen Männerstimmen anvertraut haben.
Villazón bekam Blumen und verteilte welche. Wer sein Handy nicht in der Garderobe gelassen hatte, zückte es und ließ ohne Rücksicht auf die Musik und den Rest der Menschheit Blitze niederfahren. Drei blaue Gasteig-Mädchen und zwei Ordner hielten mit hingebungsvoller Höflichkeit eine Stalkerin in Schranken, die auf die Bühne stürzen wollte. Es war ein Popkonzert für Klassik-Anhänger. Der Saal tobte. Und dies völlig zu Recht.
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