Ringo Starr: Mit Witz gegen den Frust

Ringo Starr hat mit Stargästen eine neue EP aufgenommen, die schon im Titel auf Corona verweist: "Zoom In".
von  Nicola Bardola
Bei den diesjährigen Grammys verlieh Ringo Starr vor wenigen Tagen den Preis für das Album des Jahres an Billie Eilish.
Bei den diesjährigen Grammys verlieh Ringo Starr vor wenigen Tagen den Preis für das Album des Jahres an Billie Eilish. © Chris Pizzello

Bei den kürzlich verliehenen Grammy Awards trat für die allerletzte Preisübergabe zum Höhepunkt des Abends Ringo Starr auf. Er präsentiert das Album des Jahres. Der 80-jährige Ex-Beatle und neunmalige Grammy-Gewinner erscheint mit schwarzgefärbter Kopfbehaarung jugendlicher als manche seiner Kollegen im Publikum, die seine Enkel sein könnten: "Nach einem Jahr, in dem wir uns alle ständig hinein- und hinausgezoomt haben, ist es großartig, hier zu sein. Es ist großartig, überhaupt mal irgendwo zu sein. Denn egal, was passiert, die Musik muss weitergehen." Der Preis geht dann an die neunzehnjährige Billie Eilish.

"We're all zooming in"

Nur vierundzwanzig Stunden später tritt Ringo in Stephen Colberts Late Night Show auf. Der Anlass: Der bekannteste Drummer der Welt promotet sein neues Album. Er tut es schon wieder mit den Sätzen zur Begrüßung: "We're all zooming in". Entsprechend sieht das Albumcover aus: Beim Hintergrund handelt sich nicht um Vinyl-Optik, sondern um das Innere eines Zoom-Objektivs.

Die Motiv-Wahl ist anspielungsreich und passt auch zu Ringos zweiter großer Leidenschaft, der Fotografie. Starr spricht über sein Verhalten in der Pandemie: "Im Februar letzten Jahres habe ich die Kleider für meine bevorstehende Tournee gekauft. Sie hängen immer noch ungenutzt in der Garderobe." Er vermisst es sehr, auf der Bühne zu stehen und rechnet erst 2022 wieder mit Live-Auftritten.

Aber Pandemiezeiten bedeuten nicht Leerlauf: "Das Album 'Zoom In' ist etwa zur Hälfte via Internet entstanden, indem wir Dateien hin- und hergeschickt haben. Aber für die andere Hälfte waren wir bei mir im Studio. Alle machten davor Covid-Tests und wir musizierten mit Masken. Nur für die Fotos zogen wir sie kurz aus."

Mini-Album mit fünf 20-minütigen Songs 

Auf diesem Mini-Album mit fünf sehr verschiedenartigen Songs (Spieldauer zwanzig Minuten) sind viele Freunde Ringos zu hören, u.a. Sheryl Crow, Yola, Steve Lukather, Paul McCartney oder Lenny Kravitz. Auch rare Gäste Ringos geben hier ihr Bestes, beispielsweise Robby Krieger, der Gitarrist der Doors, der damals "Light My Fire" komponierte. Den Opener "Here's To The Nights" hat Diane Warren geschrieben. Sie ist für ihre Rock-Balladen wie "Nothing's Gonna Stop Us Now" von Starship oder "I Don't Want To Miss A Thing" von Aerosmith bekannt.

Für Ringo hat sie eine Lockdown-Hymne geschrieben über die Nächte, an die wir uns nicht erinnern werden mit Freunden, die wir nie vergessen werden. Der Trauer und Verzweiflung setzen Ringo und Diane entgegen: "May we think of them forever, as the days that were the best. May we make some noise together, make a beautiful mess." Der darauf folgende swingende Titelsong lädt auf witzige Weise dazu ein, den eigenen Horizont zu erweitern und die Perspektive immer mal wieder zu ändern: "Shift your paradigm. Seek and you will find: The end of your nose is infinity." Das rockige "Teach Me To Tango" fordert zu mehr Lebensmut im Lockdown auf: "Don't stand so close to the truth or you'll lose your humor." Im Reggae "Waiting For The Tide To Turn" singt Ringo über die Leidenszeit, über das Licht am Ende des Tunnels und feiert Bob Marley und Toots. Den Abschluss bildet Ringos Leitmotiv, der Hinweis, dass es immer noch nicht genug Frieden und Liebe gibt auf der Welt.

Die meisten Musiker, die auf "Zoom In" vertreten sind, kommen auch in Ringos neuem Buch vor: "Ringo.Rocks - 30 Years of the All Starrs - 1989-2019", das es derzeit nur in einer limitierten Auflage gibt, aber bald für alle Fans käuflich sein wird. Es ist ein Foto-Prachtband, der dreißig Jahre Bandgeschichte Revue passieren lässt. Zugleich ist es eine Würdigung der Musikerkollegen, die bei der All Starr Band mitgemacht haben und inzwischen verstorben sind wie Ginger Baker, Jack Bruce, Clarence Clemons, Rick Danko, Dr. John, John Entwistle, Harry Nilsson oder Billy Preston. "Ich war so unsicher am Anfang, ich hatte drei Schlagzeuger in der Band: Levon Helm, Jim Keltner und mich", erzählt Ringo von den Anfängen. Album und Buch sind mehr als ein Lebenszeichen des Ex-Beatle aus dem Lockdown in Los Angeles. Das Album ist ein geglücktes Kleinod, das die musikalische Bandbreite Ringos demonstriert. Das Buch ist ein eindrucksvoller Jubiläumsband, der vor allem Ringos Wille zeigt, großartige Musiker und Weggefährten vor dem Vergessen zu bewahren.


Ringo Starr: "Zoom In". CD, LP, digital. Universal Music

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