Ray Manzarek: When the Music’s over

Aus seiner Orgel wummte die Ekstase, mit der Doors-Frontmann Jim Morrison die große Messe zelebrierte – am Montag erlag Keyboarder Ray Manzarek in Rosenheim seinem Krebsleiden
Christian Jooß |
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Ein Blumenkranz schwebt über dem Doors-Stern auf dem Hollywood Walk of Fame, gehalten von einem hauchdünnen Drahtgestell. Das Whiskey à Go Go in L. A. verbeugt sich über dem Eingang großlettrig: „Rest in Peace Ray Manzarek – Thanks for all the memories“. Die Facebook-Seite der Band veröffentlichte die Nachrichtin der Nacht von Montag auf Dienstag . Am Montag, 15.31 Uhr, unserer Zeit ist der Keyboarder der Doors mit 74 Jahren gestorben – im RoMed Klinikum im bayerischen Rosenheim. Manzarek hatte Gallenkrebs. Zuletzt waren Dorothy und seine Brüder Rick und James bei ihm.

Manzarek und Dorothy Fujikawa waren seit 1967 verheiratet. Trauzeugen waren Jim Morrison und dessen langjährige Freundin Pamela Courson. Als Manzarek den Ehering für Dorothy aus der Tasche zog, soll Jim Tränen gelacht haben – ein schauriger, billiger Schlangenring mit unechtem Stein im Schädel. Nach der Zeremonie betrank man sich gemütlich bei mexikanischem Essen. Ray und Dorothy bekamen einen Sohn, Pablo, und drei Enkelkinder.

Ein sonniger Tag soll es gewesen sein, in diesem Juli 1965 am Strand von Venice Beach bei Los Angeles. Vor einem Monat hatte Ray sein Filmstudium an der University of California in Los Angeles beendet, hier seine künftige Frau und Morrison kennengelernt. Und dann tritt Jim ganz zufällig in diesen Strandtag. Man plaudert. Er hat gerade ein paar Songs geschrieben. „Moonlight Drive“ singt er Manzarek vor. Ein Lied über den Aufbruch aus dem Jetzt. Von dieser Straße am Meer, auf der man sein Mädchen an der Hand nehmen kann, um zum Mond zu schwimmen. Es ist der Anfang der Band, die durch Aldous Huxleys „Doors of Perception“, die Pforten der Wahrnehmung, in ein Land außerhalb dieser Welt treten wird.

Mit sieben Jahren hatte Ray, das Kind polnischer Einwanderer, die noch Manczarek hießen, begonnen, Klavier zu lernen, sich dann in der South Side von Chicago mit den Brüdern zu einer High-School-Band zusammengetan und auch während des folgenden Studiums der Wirtschaft weiter Musik gemacht. Jetzt war dem 26-Jährigen das Schicksal begegnet.

Ray Manzareks Orgel-Einleitung zu „Light My Fire“ war mehr als ein Vorspiel: ein Schwerkraftwirbel im Gravitationsfeld des Pop, mit der Kraft zu zerstören und neu zu erschaffen. Gitarrist Robby Krieger und Schlagzeuger John Densmore, den Ray in einem Meditationskurs kennengelernt hatte, vervollständigten eine Band, die den Traum und Albtraum der Befreiung in ein Amerika brachte, dessen Söhne in der Sinnlosigkeit Vietnams zerfetzt wurden. Der Drogenmeister und Love-Sänger Arthur Lee hatte sie Elektra Records empfohlen.

Der Ed-Sullivan-Skandal, die Verhaftung Jims auf der Bühne in New Haven, Randale in Miami: Am linken Bühnenrand saß Ray, versank mit jedem Nicken des blondgescheitelten Kopfes mehr in seine Tasten und schuf die Ekstase, die der dionysische Narzisst an der Rampe zu seiner Messe machte. Ray hat diesen zum Wahnsinn Enthemmten auf die richtige musikalische Drogendosis eingestellt, beim letzten Album „L.A. Woman“ Jims Dauersuff ausgehalten. Doors-Konzerte waren Schlachten, die sich nur mit dieser Truppe gewinnen ließen.

Mit Philip Glass hat Ray später Orffs „Carmina Burana“ aufgenommen, war für zwei Alben Teil von Nite City, einer Band, die in die progressive Richtung schielte. Er hat seine Memoiren geschrieben und mit „The Poet in Exile“ 2001 auch einen Roman. Natürlich, die Tür zum Massenerfolg hatte sich nach dieser einen Band hinter ihm geschlossen. Aber einmal die Welt zu verändern, das reicht für ein Leben: „When the Music’s over / turn out the Lights“.

 

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