Interview

Ralph Siegel: "Ich hadere nicht, ich arbeite!"

Ralph Siegel startet wieder mit "Zeppelin – das Musical" im Festspielhaus Neuschwanstein. Aber es ist ihm auch ein überraschender Coup für München gelungen.
von  Adrian Prechtel
Bad in Ovationen: Ralph Siegel nach der Weltpremiere des Musicals "Zeppelin" neben seiner Frau Laura.
Bad in Ovationen: Ralph Siegel nach der Weltpremiere des Musicals "Zeppelin" neben seiner Frau Laura. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

AZ-Interview mit Ralph Siegel: Geboren am 30. September 1945 in München. Der Sohn des Schlagerkomponisten Ralph Maria Siegel und der Operetten-Sängerin Ingeborg Döderlein wurde selbst zu einem der bedeutendsten deutschen Musiker, Komponisten und Musikproduzenten. Er konnte bereits 25 Mal eigene Songs zum Eurovision Song Contest schicken.


Nun residiert Ralph Siegel auf dem Gelände der Bavaria Filmstudios: zwölf Räume, inklusive das Büro seiner Frau und einer neuen Eventagentur, die Siegel gegründet hat. Und trotzdem passen Siegels Goldene Schallplatten und andere Trophäen nicht an die Wände. Die Umzugskisten stehen noch zum Teil in den Ecken. Und obwohl schon vier Wochen umgeräumt wurde, rechnet Siegel mit weiteren vier, bis alles an seinem Platz ist. Sein Haus in Solln steht bis auf das Studio leer.

"Zum ersten Mal in meinem Leben", sagt Siegel, "habe ich Arbeitsplatz und Wohnen getrennt. Davon erhoffe ich mir Entlastung". Sein neues Haus ist nur fünf Minuten entfernt in Grünwald: "Aber hinlaufen kann ich nicht", sagt Siegel, der während des Interviews zweimal telefonieren muss, um mit seiner Orthopädin Termine für Spritzen gegen seine Rückenschmerzen zu vereinbaren. In diesen Tagen pendelt er zwischen München und Füssen, wo – nach der Premiere im Oktober und 20 Vorstellungen – sein Musical "Zeppelin" in die zweite Saison startet.

AZ: Herr Siegel, ab 19. Mai soll Ihr Musical noch 54 Mal in Füssen gezeigt werden. Das Festspielhaus dort fasst 1.400 Zuschauer. Ist das nicht größenwahnsinnig?
RALPH SIEGEL: Solange die Leute kommen, nicht! Ich habe zweimal wegen Corona allein in Füssen wieder von vorne angefangen: Bühne, Proben, Stars und Marketing. Ein Produzent wollte wegen der Pandemie eine Ausstiegsklausel, aber das konnte ich nicht mitmachen. Und so habe ich eben unheimlich viel Geld reinstecken müssen, ohne zuvor jemals so eine Sache produziert zu haben. Aber jetzt läuft es. Wir können jetzt wieder vor vollem Haus spielen – und das nur zwei Stunden von München weg.

Ralph Siegel über "Zeppelin": "Mein Lebensprojekt"

Warum riskieren Sie dafür so viel?
Es ist ganz einfach mein Lebensprojekt, das so viel von meinem musikalischen Schaffen im Großen zusammenspannt.

"Wir fahren nach Amerika" heißt ein zündender Song in "Zeppelin": Hier visualisiert sich auch der Traum von Ralph Siegel nach der großen Musical-Bühne.
"Wir fahren nach Amerika" heißt ein zündender Song in "Zeppelin": Hier visualisiert sich auch der Traum von Ralph Siegel nach der großen Musical-Bühne. © Festspielhaus Neuschwanstein

Der ehemalige Chef des Deutschen Theaters, Werner Steer, hat Ihnen ja die kalte Schulter gezeigt. Jetzt will nach der dritten Saison und weiteren 60 Tagen in Füssen das Deutsche Theater unter seiner neuen Führung "Zeppelin" ab Herbst 2023 für gut zwei Wochen spielen.
Steer hatte verlangt, dass ich die Produktion für Füssen gleich auf München zuschneide. Aber das ist unfair. Füssen hat eine Riesenbühne und die muss man auch füllen.

Und was machen Sie jetzt für München?
Eine Version, die dort auf die Bühne passt. Ich habe da schon Modelle anfertigen lassen, die zeigen, wie das geht. Und die am Deutschen Theater finden das auch!

Das Bühnenbildmodell des komprimierten Konzepts der "Zeppelin"-Version im Deutschen Theater in München.
Das Bühnenbildmodell des komprimierten Konzepts der "Zeppelin"-Version im Deutschen Theater in München. © RS

Und wer finanziert das?
Wenn es erst einmal auf der Größe ist, dass es ins Deutsche Theater passt, kann man es dann so überall auf verschiedenen größeren Bühnen auf der Welt spielen. Das ist die Chance. Und wenn kein Produzent anbeißt, dann beiße ich in den sauren Apfel und bringe das so auf die Bühne nach München.

Käufer für Ralph Siegels Haus in Solln gesucht

In der Branche wird behauptet, Sie hätten bereits fünf Millionen Euro in das Projekt investiert. Und jetzt kommen noch mal Summen für das Umarrangement und Umbau dazu.
Viele haben mir ja gesagt: "Ralph, Du hast ja einen großen Schatz mit deinen Songs und Liedern." Ich habe denen gesagt: "Ich habe dafür auch 100 Tage pro Jahr mehr gearbeitet als ihr!" Kein Wochenende, kein Urlaub ohne Arbeit. Aber seit Spotify und dem Zusammenbruch des CD-Marktes nützt mir es viel weniger, dass ich 2.000 Titel in meiner Musikbibliothek habe. Deshalb suche ich auch einen Käufer für mein schönes Haus in Solln. Das war übrigens gerade schon quasi verkauft, bis der Käufer Geld aus Russland holen wollte… Aber ich glaube an das "Zeppelin"-Projekt. Und jetzt am 19. Mai schauen sich das ja auch noch mal die großen Produzenten der Branche und viele deutsche Intendanten an.

Das Deutsche Theater hat Ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt: zweieinhalb Stunden, und nicht eine Minute länger! Das heißt, wie man so schön in der Branche sagt: "Kill Your Darlings!"
Natürlich ist das frech! Wie lange dauert denn eine Wagneroper? Und hat man mich nicht vor wenigen Wochen zur Premiere von der "Päpstin" eingeladen? Das war auch gut drei Stunden. Aber was soll’s! Angeblich verlangen das auch die Busunternehmer, die das Publikum von weit her heranbringen…

Also, was machen Sie?
Ich kürze natürlich. Aber das ist grausam, weil man ja ein Leben lang gebraucht hat, um solche großen Stücke zu schreiben. Seit ich ein Junge war, wollte ich Musicals schreiben und habe ja auch einige komponiert und getextet. Es ist ja was ganz anderes, ob Sie immer so Dreiminüter als Songs schreiben oder einen großen Bogen schlagen – mit großer Ouvertüre und einem zündenden Schluss – und dazwischen groß angelegte, ans Herz gehende Kompositionen. Aber da gibt es ja den Spruch, dass so eine Kürzung sowas wie eine Operation für einen sei. Aber eine Leber kann sich erholen, eine Wunde heilen. Aber es ist eine geistige Operation, wenn man eine Komposition aus einem Werk herausschneidet – und das bleibt im Gedächtnis wie eine Leerstelle.

Ralph Siegel hadert nicht mit den Kürzungen – und macht "Zeppelin" kindertauglich

Also hadern Sie?
Nein, weil das ja nur für mich hörbar ist. Wegen Corona hatten wir schon Notbesetzungen und dafür ein paar Stücke weggelassen. Das macht das Ganze auch nicht immer schlechter. Und damit das Ganze auch für Kinder geht, habe ich schon eine kurze Vergewaltigungsszene rausgenommen und durch eine befreiende Ohrfeige ersetzt. Auch die historische Diskussion, ob der Zeppelin Hindenburg 1937 explodiert ist, weil das falsche Gas geladen war, ist rausgeflogen, was auch ok ist. Aber einen makaberen Witz gibt es noch bei den Kürzungen: Da ja auch der Amerikanische Bürgerkrieg vorkommt, in dem der junge Graf Zeppelin Kriegsbeobachter war, gab es zwei Antikriegssongs, von dem ich von vornherein einen weggelassen habe…

Haben Sie ihn jetzt wieder eingebaut?
Nein, auch wenn das richtiger und wichtiger denn je wäre, wenn man an das Grauen in der Ukraine denkt. Ich habe den Song stattdessen auf einem Album herausgebracht. Darauf sind all meine Friedenslieder – natürlich auch "Ein bisschen Frieden", das gerade 40. Jubiläum hatte. Dazu gibt es noch vier CDs mit allen Songs der gemeinsamen Arbeit mit Nicole. Das Kompendium ist seit gestern raus, also einen Tag vor dem ESC am Samstagabend. Jetzt aber fahre ich gleich wieder nach Füssen, damit da alles gut läuft bei den Proben und der Zeppelin gut abhebt.


Festspielhaus Neuschwanstein, Füssen, wieder ab 19. Mai bis in den Juli, Karten unter: das-festspielhaus.de.

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