Publikum schreit "Geh scheißn!" – Skandal bei Philharmoniker-Konzert

Audio von Carbonatix
Keine 15 Minuten hatten die Münchner Philharmoniker am Samstag unter ihrem israelischen Dirigenten Lahav Shani im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins gespielt. Dann begann auf den Stehplätzen im rückwärtigen Bereich ein Schreikonzert mit "Free Gaza!“-Rufen. Auch eine Palästina-Fahne wurde entrollt.
Das berichtet die in Wien erscheinende Tageszeitung "Der Standard“. Danach sei Sicherheitspersonal eingeschritten, heißt es weiter. Dann entpuppte sich ein weiterer Besucher als Aktivist. Ein Herr mittleren Alters mit Hipster-Vollbart sei in Richtung Bühne marschiert und habe "Freiheit für Gaza!“ gebrüllt. Aus den Reihen der Konzertbesucher soll man ihm auf gut Wienerisch mit "Geh scheißn!“ geantwortet haben.
Anschließend habe das Orchester mit der Geigerin Lisa Batiashvili Beethovens Violinkonzert ungestört fortgesetzt. Vor dem Konzert distanzierte sich der Intendant Stephan Pauly von der Ausladung des Dirigenten und des Orchesters beim Flandern Festival in Gent.
Shani ist ein Schwerpunkt-Künstler der diesjährigen Saison im Musikverein. Zwei Abenden mit den Münchner Philharmonikern folgen Termine mit den Rotterdamer Philharmonikern sowie ein Duo-Klavierabend gemeinsam mit der Pianistin Martha Argerich.
Die Ausladung Shanis und der Philharmoniker in Gent hatte politische Wogen geschlagen – unter anderem mit einem Entschuldigungs-Besuch des belgischen Ministerpräsidenten bei einem Konzert in Essen, einer Einladung zum Musikfest Berlin und einem Treffen des Dirigenten mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Sogar Friedrich Merz hat sich in der Angelegenheit zu Wort gemeldet.

Was hat Shani, der israelischer und deutscher Staatsbürger ist, mit dem Gaza-Krieg zu tun? Nicht viel, außer dass er auch noch Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra ist. Dieses Orchester gilt als kultureller Botschafter Israels, obwohl es nur zu etwa zehn Prozent vom Staat finanziert wird.
Das wird so schnell nicht aufhören
Shani hat die "Bilder und Zeugnisse aus dem Gazastreifen“ in einem auf der Website der Münchner Philharmoniker verbreiteten als "zutiefst erschütternd“ bezeichnet. Er erinnerte an das Schicksal der seit dem Terror-Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 festgehaltenen Geiseln und fordert dazu auf, alles dafür zu tun, "um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und den langen Prozess der Heilung und des Wiederaufbaus beider Gesellschaften zu beginnen“.
Damit ist eigentlich alles gesagt. Den Palästina-Aktivisten wird es natürlich nicht genügen. Denn die an sich begrüßenswerte Verteidigung des Dirigenten aus der Politik hat dazu beigetragen, den Dirigenten zur Symbolfigur zu machen. Daher werden die Proteste noch eine Weile andauern. Man wird das als Demokrat aushalten und einzelnen Demonstranten gegebenenfalls auch widersprechen. Etwa mit der Frage, was Shani mit dem Konflikt in Gaza zu tun habe und wieso Bürger Israels und in anderen Fällen auch deutsche Juden kollektiv für Netanjahus Politik haftbar gemacht werden.