Pracht und Totale: Philippe Jordan in der Isarphilharmonie

Ein Jahr nach ihrer Eröffnung hat sich die Isarphilharmonie in vielen Lebenslagen bewährt, in manchen ihre Defizite offenbart. Philippe Jordan blieb es vorbehalten, gleichsam eine weitere Probebohrung zu unternehmen. Anders als die Symphonie Nr. 3 Es-Dur von Robert Schumann, die der Schweizer detailreich, melodiös, nur ein wenig kontrastarm spielen lässt, stellt die "Götterdämmerung" von Richard Wagner für die Münchner Philharmoniker naturgemäß ungewohntes Repertoire dar. In deren aktuellem Programm unterziehen drei umfangreichere Ausschnitte aus dem Musikdrama die analytisch transparente, doch hallarme Akustik, einem Stille-Test.
"Siegfrieds Rheinfahrt": Höhepunkte mit ordentlich stauenden Ritardandi
Für "Siegfrieds Rheinfahrt" kann man auf dem imaginären Versuchsprotokoll als Ergebnis getrost ein Häkchen machen. Schon schön, wie mühelos plastisch die leisen Violoncello-Linien über dem Posaunenakkord gezogen werden können. Philippe Jordan wird nicht müde, immer neue Details zu unterstreichen, die mal zarte, mal vorwitzige Bassklarinette, wuchtig gesetzte Bässe, ein alarmierend warnendes Holzbläserwerk. Weil er die Höhepunkte mit ordentlich stauenden Ritardandi ansteuert, kann die prachtvolle philharmonische Totale dem Hörer gefährlich nahekommen.
Mit der Stille, die sich im grandios auszelebrierten Trauermarsch für den gemeuchelten Helden ausbreitet, ist die Isarphilharmonie hingegen überfordert. Nicht kann die Pauke unheilvoll nachzittern, die Anklagen der an sich imposanten Blechbläser verpuffen, die Tutti knallen mit der Tür ins Haus. Was an Schalldämmung die Präsenz befördert, wirkt sich, wenn die Stille eigentlich ausdrucksvoll resonieren sollte, als ungewollter Schluckvorgang aus.
Camilla Nylund: Ihr quellwasserfrischer Sopran behält seine Natürlichkeit
Auch für Camilla Nylund ist die akustische Direktheit ein zweischneidiges Schwert (das ja als Bühnenrequisit zum Zeitpunkt ihres Schlussgesangs gar keine Rolle mehr spielt): Ihr quellwasserfrischer Sopran behält seine Natürlichkeit auch in den Außenregionen der riesigen Tessitura. Dass die Stimme einen gewissen Einschwingvorgang benötigt, bis sie voll erblüht ist, wird allerdings auch wahrnehmbar, und zwar stärker, als es einer Sängerin gegenüber gerade noch fair ist. Den Stille- und den Walküren-Test hat die Isarphilharmonie also einstweilen noch nicht bestanden.