Notfalls für den Hausmeister
Nein, eigentlich ist „Strike Up The Band“ kein Comeback-Album. Denn schließlich hatte sich Little Feat gar nicht aufgelöst. Im vergangenen Jahr brachte die Band sogar ein Album mit Blues-Covers heraus, das ihr eine Grammy-Nominierung einbrachte.
Und doch fühlt sich das neue Werk wie ein Comeback an. Es ist das erste Album mit eigenen Songs seit 2012 und vor allem: eine Rückkehr zu alter Größe, mit der nach all den Jahrzehnten nicht mehr zu rechnen war.
„Das ist eine der besten Platten, die wir je gemacht haben“, sagt Keyboarder und Bandleader Bill Payne, als die AZ ihn per Videokonferenz zuhause in Montana erreicht. Das sagen Musiker leicht mal über Neuveröffentlichungen, doch in diesem Fall liegt die Messlatte hoch: Schließlich haben Little Feat in ihren frühen Jahren Meisterwerke aufgenommen, die regelmäßig in den ewigen Bestenlisten der Rockgeschichte geführt werden.
Der 76-jährige Bill Payne ist das einzig verbliebene Mitglied der Originalbesetzung. Er war 1969 von Texas nach Los Angeles gezogen, wollte dort Frank Zappa kennenlernen. Als er bei dessen Plattenfirma endlich telefonisch durchkam, riet ihm die Empfangsdame, Kontakt mit dem Gitarristen und Sänger Lowell George aufzunehmen: Den hatte Zappa für zu begabt befunden, um weiterhin bei seinen Mothers of Invention Begleitmusiker zu sein.
Payne besuchte George unangekündigt in dessen Holzhaus, setzte sich ans Klavier - und wenig später saßen die beiden schon im Büro der Plattenfirma Warner Brothers und spielten A&R-Mann Lenny Waronker ihre Songs vor. Und der gab ihnen auf der Stelle einen Plattenvertrag.
Verwickelte Band-Geschichte
In den nächsten zehn Jahren brachte Little Feat so ziemlich alles zusammen, was die musikalische Tradition Amerikas zu bieten hat: Country, Blues, Rock’n’Roll, R‘n‘B, Soul, Funk, ab Mitte der Siebziger vermehrt auch Jazz und Fusion. „Letztlich habe ich Little Feat aus ganz egoistischen Gründen immer beisammen gehalten“, sagt Bill Payne. „Denn um all diese Stile spielen zu können, müsste ich ansonsten in zehn Bands sein.“
Am stärksten aber wurde die Wahrnehmung von Little Feat von zwei Elementen geprägt: dem brillanten, absolut originellen Slide-Gitarrenspiel von Lowell George und den Grooves und Beats aus New Orleans, die auf dem Albumklassiker „Dixie Chicken“ von 1973 erstmals zu hören waren. Kurz zuvor waren Gitarrist Paul Barrère, Bassist Kenny Gradney und Percussionist Sam Clayton zur Band gestoßen. „Diese New-Orleans-Sache hat einen ganz neuen Stil für uns eröffnet, der viele Leute begeistert hat, aber ein Kritiker schrieb damals: Alle Songs klingen gleich“, sagt Bill Payne und lacht.
Die Musiker-Kollegen sahen das anders: Superstars wie Bob Dylan oder die Rolling Stones verehrten Little Feat. Schließlich musizierten sie mit einer Virtuosität wie kaum eine andere Band. Für „Feats Don’t Fail Me Now“ erhielten sie 1974 ihre erste Goldene Schallplatte, doch ein Massenpublikum erreichte die Band nie, dafür war ihre Musik zu komplex, zu vielgestaltig, zu verspielt. „Diese Freiheit will ich mir nehmen“, sagt Bill Payne, „und diese Freiheit hat nun mal ihren Preis. Du spielst dann halt nicht bei der Halbzeitparty des Super Bowl, aber das ist okay.“

1979 ging die Bandgeschichte vorerst zu Ende: Da starb Lowell George mit nur 34, sein Herz hörte nach exzessiven Jahren auf zu schlagen. Little Feat löste sich auf, Bill Payne arbeitete als Session- und Tour-Keyboarder weiter. Schon in den Siebzigern war er einer der gefragtesten Musiker und auf Alben von Bonnie Raitt, Emmylou Harris oder Barbra Streisand zu hören. In den Achtzigern spielte er in den Live-Bands von Linda Ronstadt, Stevie Nicks, Jackson Browne und Bob Seger. Auch die Stones wollten ihn anheuern - aber da stand er schon bei James Taylor im Wort.
1988 feierten dann Little Feat ein Comeback: Sänger Craig Fuller und Gitarrist Fred Tackett ersetzten Lowell George, und das Album „Let It Roll“ war ein überraschender Erfolg. Aber der Nachfolger „Representing The Mambo“ verkaufte sich schlechter, die Warner beendete in den Neunzigern die Zusammenarbeit, alle weiteren Alben erschienen bei kleineren Labels und erhielten viel weniger Aufmerksamkeit. Die Band machte weiter, selbst als Gründungs-Schlagzeuger Ritchie Hayward 2010 und Gitarrist Paul Barrère 2019 starben.
„Kann das Neue mit den alten Werken mithalten?“
Zur Band stießen dann der Gitarrist und Sänger Scott Sharrard, der vorher musikalischer Direktor von Gregg Allmans Band war, und Schlagzeuger Tony Leone. Beide sind eine Generation jünger als ihre Kollegen - und haben zu einem kleinen kreativen Wunder beigetragen: Denn das neue, 56 Jahre nach dem Debüt erschienene Album „Strike Up The Band“ ist nichts weniger als sensationell. „Das Erbe von Little Feat ist mir sehr wichtig“, sagt Bill Payne. „Wenn wir etwas Neues herausbringen, frage ich mich immer: Kann es mit den alten Werken mithalten?“ Und in diesem Fall lautet die erstaunliche Antwort: ja.
Der entspannt-funkige Opener „4 Days Of Heaven 3 Days Of Work“ und „Bayou Mama“ erinnern an die klassische „Dixie Chicken“-Phase, auch weil Scott Sharrard das Slide-Gitarren-Spiel von Lowell George brillant imitiert. Und er trägt als Songwriter viele superbe Stücke bei, etwa den feierlichen Titelsong „Strike Up The Band“, auf dem die Schwestern Larkin Poe wunderschön im Background singen, das großartig groovende „Midnight Flight“ und das packende „Shipbuilding“, an dessen Ende ein ebenso flirrendes wie melodiöses Moog-Solo von Bill Payne steht.

Der hat ebenfalls wunderschöne Stücke geschrieben, etwa „Bluegrass Pines“ und das an Los Lobos erinnernde „Dance A Little“. Und mit „New Orleans Cries When She Sings“ richtet er den Blick nochmal auf die wohl musikalischste Stadt der Welt: Der Song beginnt als melancholische Ballade, dann setzt der Second-Line-Groove ein und die wilde Party kann beginnen - der perfekte Schlusssong für ein Little Feat-Album.
Die Produktion von Bill Payne und Vance Powell klingt knackig und kraftvoll und ist voller inspirierender Momente. Gibt es ein Geheimnis, so die letzte Frage an Bill Payne, wie man die auf Band bekommt? „Die Frage ist immer: Wie schaffe ich es, im Studio so zu spielen wie live vor hundert oder auch vor 60.000 Leuten?“, sagt Payne. „Im Studio muss man sich sein Publikum suchen. Entweder man nutzt seine Fantasie und stellt sich die Zuschauer vor - oder man spielt für den Hausmeister, der gerade ins Studio gekommen ist.“
Little Feat: „Strike Up The Band“, auf Doppel-LP, CD und digital (bei Hot Tomato Productions, Proper/Bertus)
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