Nena rockt München - die AZ-Kritik
Wer pünktlich um acht Uhr ins Technikum schlendert, ärgert sich: Nena hat schon angefangen! Und sie macht jetzt Technopop. Erst bei genauerem Blick auf die Bühne wird klar, dass hier nicht Nena, sondern ihre Tochter Larissa zu Computer-Beats singt.
„Adameva“ heißt ihr Projekt, und man denkt: „Apfelstamm“. Denn Larissa Kerner hat die gleiche Singstimme wie ihre Mutter, sie spricht im gleichen Tonfall wie ihre Mutter. Dann, nach drei Songs, wünscht sie viel Spaß beim Konzert ihrer Mutter.
Doch bevor diese die Bühne betritt, bittet noch ein Herr das Publikum, die Fotohandys in den Taschen zu lassen. Feuerzeuge dagegen sehe Nena sehr gern. Dem Fotografierverbot folgen die meisten Zuschauer brav, doch für Feuerzeuge wird es wenig Anlass geben. Denn Nena legt einen Hochenergie-Auftritt hin.
Sie rockt los mit „Noch einmal“ von ihrer Debütplatte, und im gut besuchten Technikum ist es wieder 1983. Mit der einzigen Einschränkung, dass Nena diesmal drei erwachsene Kinder neben sich stehen hat. Neben Larissa singt auch deren Zwillingsbruder Sakias, und Simeon Kerner spielt Keyboards. Nena hat einen sympathischen Flohzirkus um sich herum versammelt, zehn Musiker stehen dicht gedrängt auf der kleinen Bühne. Darunter sind einige Instrumentalisten aus den USA, und sie lassen Nenas Songs hervorragend klingen.
Vom Alterungsprozess ausgeschlossen
Die sind auch großteils ziemlich gut, gerade manche Lieder ihrer neuen Platte „Oldschool“: „Sonnemond“ und „Magie“ haben originelle, einprägsame Pop-Refrains, „Lieder von früher“ ist eine tolle Tanznummer, die von einer absteigenden Gitarrenlinie nach vorne getrieben wird.
Ihre eigenen Lieder von früher zelebriert Nena genüsslich: Bei „Nur geträumt“ macht sie eine lange Pause, bevor das Publikum noch mal den Refrain singen darf. In „Leuchtturm“ integriert sie das Riff von „Jumpin’ Jack Flash“, an „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ hängt sie gleich noch eine Reggae-Variante des Liedes dran. „99 Luftballons“ lässt sie in eine noch größere Hymne übergehen, den Abspann von „Hey Jude“ – nur letzteres klingt nicht stimmig.
Ihre eigenen Klassiker sind sicher ein Grund, warum Nena auch heute noch ein Publikum zwischen Mitte Zwanzig und Mitte Fünfzig anzieht. Ein anderer ist ihre Ausstrahlung. Sie hüpft mit 54 genauso euphorisch über die Bühne wie mit 24, doch das wirkt weder gezwungen noch peinlich, denn sie ist dabei – total natürlich. Und wenn sie vom Alterungsprozess ausgeschlossen ist – wieso sollte sie dann plötzlich auf würdevolle Alte machen?
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