Nach dem Desaster: So lief das Finale von "Klassik am Odeonsplatz"

Na, geht doch! Nach der Schepper- und Klirr-Verstärkung des ersten Konzerts von "Klassik am Odeonsplatz" überraschte der zweite Abend mit einer gewohnt ausgewogenen Abmischung, bei dem sich im vorderen Drittel die Musik aus den Lautsprechern optimal mit dem natürlichen Klang der Münchner Philharmoniker vereinte. Es scheint, als habe die Tontechnik den Auftritt des BR-Symphonieorchesters am Samstag mehr als eine akustische Generalprobe verstanden.
Das zweite Konzert begann wegen einer seit Stunden in gerader Linie zum Odeonsplatz zielenden Mini-Gewitterzelle eine halbe Stunde später. Auch die Pause wurde verkürzt. Letztendlich regnete es in der Innenstadt aber erst eine Stunde nach Schluss der Veranstaltung: Punktgenaue Vorhersagen sind bei einer labilen, kleinteiligen Wetterlage immer schwierig.
Kurz nach halb neun begrüßte Dieter Reiter das Publikum mit einem Seitenhieb auf die Dauer-Kritik an den Münchner Konzertsälen aus dem Umfeld des BR-Symphonieorchesters: Vor 25 Jahren habe man beim ersten "Klassik am Odeonsplatz" entdeckt, dass München vor der Theatinerkirche bereits einen optimalen Konzertsaal besitze. Dann beschwor der Oberbürgermeister noch die Kraft der Musik, auch angesichts einer schwierigen Weltlage Hoffnung zu geben.

Das versuchte im ersten Teil dann Lisa Batiashvili mit Ludwig van Beethovens Violinkonzert. Die Geigerin wählte im ersten Satz ein ruhiges Grundtempo und folgte der deutschen Tiefgründigkeits- und Grübel-Tradition mit einer weiteren Verlangsamung bei den Soli und den Trillern. Aber die klar und singend spielende Geigerin kann in solchen Passagen die Spannung halten. Im langsamen Satz betonte sie die Liedhaftigkeit, das Finale verbreitete verhaltene Heiterkeit.
Beethoven mit modernen Einsprengseln
Derartige Ruhe bildet die Tontechnik auf dem Odeonsplatz spannender als im Konzertsaal ab. Daher lässt sich gegen diese Interpretation nichts sagen. Im ersten und dritten Satz ergänzte Lisa Batiashvili Beethoven durch verhalten moderne Kadenzen des deutschrussischen Komponisten Alfred Schnittke (1934 - 1998), die der dezidierten Virtuositätsverweigerung dieses Violinkonzerts Doppelgriffe und anspruchsvolle mehrstimmige Passagen entgegensetzen. Es bleibt Geschmacksache, ob man derlei als ästhetischen Bruch empfindet oder als Erweiterung des musikalischen Kosmos empfindet.

Als Zugabe spielte die Geigerin mit den Philharmonikern die "Méditation" aus der Oper "Thais" von Jules Massenet. Dieses wirkungsvolle Stück aus der Belle Epoque würde man im Konzertsaal normalerweise kaum nach Beethoven spielen. Aber erstens veredelt Lisa Batiashvili das Stück mit nüchterner Schlichtheit. Und zweites ist der Odeonsplatz kein normaler Konzertsaal, sondern ein Schaufenster für die klassische Musik in ihrer ganzen Vielfalt, zu der Massenet genauso gehört wie Schnittke.
Kammermusik auf dem Odeonsplatz
Der designierte Chefdirigent Lahav Shani war auch hier wie bei Beethoven mit seinen Philharmonikern ein hingebungsvoller, ganz auf eine Harmonie mit der Solistin gestimmter Begleiter. Nach der Pause folgten die "Symphonischen Tänze" von Sergej Rachmaninow, ein nicht ganz einfach zum Klingen zu bringendes Abschiedswerk, das die Rückschau auf die russische Musiktradition mit den apokalyptischen Klängen des Dies-irae-Motivs zusammenbringt.

Wer dieses Stück in München dirigiert, misst sich mit zwei nahezu perfekten Interpreten: Mariss Jansons und Kirill Petrenko. Shani beschritt mit den Philharmonikern einen eigenen Weg, der das Tänzerische der Musik betont und die Sentimentalität ebenso respektvoll behandelt wie die Untergangs-Düsternis.

Die Tontechnik und die Bildregie hob das kammermusikalische Zusammenspiel von Oboe, Saxophon und Englischhorn im Mittelteil des ersten Tanzes hervor. Auch das Klavier war besser zu hören als in normalen Aufführungen. Die leichte Nivellierung der Lautstärke durch die Übertragung führte hier zu einem Gewinn an Farbigkeit und Transparenz.
Dem Gerüst trotzen
Am zweiten Abend waren solche Nuancen wahrnehmbar, die der erste noch verweigerte, obwohl sie auf der Bühne vom BR-Symphonieorchester unter Franz Welser-Möst garantiert angestrebt wurden. Am Sonntag gelang es dem Sprecher sogar, nach der Pause noch die Zugabe der Geigerin zu benennen. Am Ende ist das naturgemäß schwieriger, weshalb es hier nachgeholt sei: Auf Rachmaninows Tänze folgten noch "Nimrod" aus den "Enigma-Variationen" von Edward Elgar und Antonín Dvořáks "Slawischer Tanz" op. 46 Nr. 8.

Das Publikum reagierte im Vergleich zum ersten Abend begeistert. Und da das Sound-Problem nun gelöst scheint, kann man den nächsten beiden Sanierungsjahren, in denen die Feldherrnhalle nicht zur Verfügung stehen wird, mit Gelassenheit entgegensehen: Die Kraft der Musik, laue Sommertemperaturen und das Gemeinschaftsgefühl auf dem Odeonsplatz sind stark genug, um einem Gerüst zu trotzen.