Musikkarriere statt Studium: Berq kommt mit Debütalbum nach München

Der Hamburger Musiker Berq hat ein starkes Debütalbum veröffentlicht. Nun spielt er gleich dreimal in München.
Steffen Rüth |
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Der deutsche Sänger Felix Dautzenberg mit Künstlername Berq bei seinem Auftritt beim Musikfestival Superbloom in München am 8.9.2024.
Der deutsche Sänger Felix Dautzenberg mit Künstlername Berq bei seinem Auftritt beim Musikfestival Superbloom in München am 8.9.2024. © Michaela Merk/Imago

Viele Elementarerfahrungen sind für Felix Dautzenberg, der sich als Musiker Berq nennt, im Moment noch ganz schön neu. Ja, man könnte sogar sagen, das Leben prasselt gerade aus allen Rohren auf den jungen Hamburger, der noch nicht allzu lange kein Teenager mehr ist, ein. Zum Beispiel ist er von zuhause ausgezogen, nach Berlin, auch noch Kreuzberg.

Nach einer "merkwürdigen Wohnsituation", bestehend aus 28 Euro pro Quadratmeter und einem Vermieter, der manchmal unangekündigt in der Bude stand, ist Felix mit seinem besten Freund, der in Berlin ein Studium begonnen hat, nun in eine "größere, günstigere und schönere" Bleibe gezogen. Hier hat er eine Küche und eine Spülmaschine, beides lernt er gerade zu bedienen.

Ein Tag die Woche muss frei bleiben

Bei der Waschmaschine weiß er schon, wie sie funktioniert, Berq war im vergangenen Jahr so oft unterwegs, dass er das Wäschewaschen schnell verinnerlicht hat. Jetzt aktuell hat der 20-jährige Sänger, Songschreiber und Multiinstrumentalist entschieden, dass er sich die Dienstage freihalten will. "Am Wochenende spiele ich die meisten Shows, und wenn ich nicht aufpasse, habe ich nie frei. Daher ist ab sofort der Dienstag mein Wochenende."

Zu den weiteren Neuerungen im Leben des jungen Felix zählen: mehr Sport machen, ein bisschen gesünder essen und sich tunlichst wenig einen Kopf um das zu machen, was da gerade rund um ihn und seine Musik abgeht, nämlich eine verdammte Menge.

"Das fühlt sich an wie eine Welle, die immer größer wird", sagt Berq in seinem WG-Zimmer, "und das Beste, was ich machen kann, ist einfach stehenzubleiben." Es hätte ja keiner gedacht, wie das mit ihm und seiner Karriere abgeht, er selbst am allerwenigsten. Musik macht Berq zwar schon lange.

Im Keller Songs schrauben 

Im elterlichen Keller verbrachte er die Tage, sogar im Sommer, wenn alle anderen Basketball spielten oder schwimmen gingen. Er schraubte an Liedern herum, brachte sich das Klavierspielen bei, Gitarre konnte er schon, man muss sich diese Jugend wohl so in etwa vorstellen wie die von Billie Eilish und ihrem Bruder Finneas, deren Songs Felix sehr gern hört, weil sie so ein bisschen ähnlich düster und detailverliebt seien wie die eigenen, und die ihre Weltkarriere ja einst vom Kinderzimmer aus starteten.

"Musik zu machen war wie ein innerer Drang, den ich nicht unterdrücken konnte. Mir hat das einfach extrem viel Spaß gemacht." An ein mögliches Publikum dachte er noch lange nicht, und gesungen hat er nur, wenn die Eltern und der ältere Bruder außer Haus waren. "Meine Lieder anderen Leuten vorzuspielen oder gar vor ihnen zu singen, hat mich anfangs sehr viel Überwindung gekostet", gibt er zu. Inzwischen habe sich seine Scheu gelegt.

Vergrübelt, aber die Waschmaschine kann Berq trotzdem bedienen. Sagt er zumindest.
Vergrübelt, aber die Waschmaschine kann Berq trotzdem bedienen. Sagt er zumindest. © Felix Aaron

2022 macht Dautzenberg sein Abitur, er will danach Musikproduktion studieren. Seine Bewerbungsmappe ist zugleich seine erste EP, "Rote Flaggen". Plötzlich passiert sehr viel sehr schnell, die Musikindustrie wird auf den Jungen aufmerksam, er hat schnurstracks ein professionelles Team um sich herum und schlittert sprichwörtlich ins Berufsmusikerleben hinein. Das Studium legt er ad acta, stattdessen veröffentlicht er die EP im Mai 2023, und ein paar Monate später steht der Titelsong "Rote Flaggen" in den Top fünf der deutschen Singlecharts.

Man fühlt sich bisweilen an die Neubauten erinnert

Seitdem wird es nur besser. Auf seinem ersten Album "Berq" hört man einen richtigen Qualitätssprung. Berq hat Gesangstraining genommen, er hält seine tiefe, durchdringende Stimme nun nicht mehr zurück, die Zurückhaltung scheint verschwunden. In Lüneburg findet er den Produzenten David Bonk, der seine klanglichen Visionen – unter anderem bei einem gemeinsamen Arbeitsurlaubsaufenthalt in Italien – umzusetzen weiß.

Berq fährt auf "Berq" groß auf. Man hört Geigen, man hört ein Piano, manchmal, wie im Song "Heimweg" erinnert er an Kammermusik. Die Lieder sind oft üppig und intim zugleich. Auch stattet er seine Stücke mit einer Vielzahl oft etwas kurioser Sounds aus, so fühlt man sich bei "Mein Hass tritt dir die Haustür" ein geradezu an die Einstürzenden Neubauten erinnert. Dass Berq feststellt, wie sein Publikum altersmäßig die Generation seiner Eltern rasant zunimmt, verwundert gar nicht mal so sehr.

Ganz in weiß wirkt Berq nicht ganz so melancholisch.
Ganz in weiß wirkt Berq nicht ganz so melancholisch. © Felix Aron/SWR

Berq singt über Versagensangst und Überforderung

Auch textlich ist diese Musik raffinierter, anspruchsvoller als man es vom Deutschpop gewohnt ist. Berq setzt sich differenziert und glaubwürdig mit Themen wie Versagensangst, Panik, Überforderung und den ersten – zumeist dezent leidvollen – Liebeserfahrungen auseinander.

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Auch das Verhältnis zu seinen Eltern nimmt er sich vor. In "Vergissmeinnicht" erzählt Felix darüber, wie er aufgehört hat, seiner Mutter Textnachrichten über seinen nächtlichen Verbleibt zu schicken, seit er nicht mehr daheim wohnt. Und "Träumen", der vielleicht eindringlichste und emotionalste Song auf "Berq" beleuchtet das Verhältnis zum Vater.

Er umarme sehr schlecht und sage nicht, dass er stolz ist, singt Berq. "Der Song ist aber kein Vorwurf, sondern spricht davon, dass mein Vater mir das Denken und das Träumen beigebracht hat. Er ist ein sehr analytischer Mensch, der permanent alles bewertet. Ich habe von ihm den Fluch seines Kopfes geerbt, denn auch ich bin ständig am Reflektieren, was häufig sehr anstrengend ist." Und trotzdem. "Nachdem ich ihm das Lied vorspielte, hatten wir einen richtig schönen Abend mit einem sehr guten Gespräch zusammen. Und am Schluss hat er mich wirklich sehr innig in den Arm genommen."

Berq spielt am 27. November 2024 in der Freiheitshalle, am 15. Dezember 2024 im Backstage und am 29. Juni 2025 in der Musik-Arena auf dem Tollwood Festival. Die ersten beiden Termine sind bereits ausverkauft.

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