"Tour de France": Wie vor 25 Jahren Münchens langlebigste Party entstand
Wenn man an französische Partys denkt, ist man natürlich gleich bei „La Boum“, aber zumindest in München folgt dann schon die „Tour de France“, jener französische Clubabend, der am 12. September seinen 25. Geburtstag in der Muffathalle feiert. Partygründer Thomas Bohnet erzählt im Interview von einem ungeplanten Erfolg und was die Gäste am Jubiläumsabend erwartet.
AZ: Herr Bohnet, wie kamen Sie auf die Idee zur „Tour de France“ in München?
Thomas Bohnet: Ich bin 1998 nach München gezogen, wurde damals gerade 40 Jahre alt und war davor 15 Jahre lang als DJ relativ bekannt in Konstanz und der Bodenseeregion. Mir war aber klar, dass in München niemand auf einen 40-jährigen DJ aus der Provinz wartet; es gab hier schon alles. Ich habe beim Konzertveranstalter target gearbeitet und als freier Musikjournalist, aber nach einem Jahr hat mich mein guter Freund Bernd Hartwich gefragt, ob ich mal mit ihm auflegen wollte und dann habe ich wieder Blut geleckt. Dann habe ich im Club Zwei nachgefragt, die haben mir einen Abend gegeben und den habe ich dann nur mit französischer Musik gestaltet. Das hatte ich in Konstanz schon ein paar Mal gemacht und es kam auch in München gut an. Das war im März 2000. Und dann hat mich der Club gefragt, ob ich das nicht häufiger machen könnte. So wurde es eine monatliche Reihe.
"Mit Italien habe ich nichts am Hut"
In München wäre doch italienische Musik naheliegender gewesen.
Ja, aber mit Italien hatte ich ehrlich gesagt gar nichts am Hut. Die italienische Musik sprach mich damals nicht an und das ist auch so geblieben. Ich hatte mich schon länger für französische Musik interessiert, auch wenn ich damals noch kaum Französisch sprach. Ich hatte am Bodensee, vor allem aber in Zürich, schon französische Bands gesehen, bevor sie dann international durchbrachen, beispielsweise Noir Désir, die ich in der Roten Fabrik noch als Vorgruppe gesehen habe. Mir lag Frankreich immer näher als Italien, weil ich im Nordschwarzwald aufgewachsen bin, 50 Kilometer von Straßburg entfernt.

Wie wichtig für die Musikauswahl ist die Tanzbarkeit?
Natürlich ist das für mich als DJ das wichtigste Kriterium. Musik mit tollem Text, zu der man sich nicht bewegen kann, ist für die Party nichts. Vielleicht bin ich deshalb auch nie ein Spezialist geworden, was das klassische Chanson angeht; das kann ich höchstens mal ganz am Anfang oder am Ende spielen.
Der Club Zwei musste dann bald schließen.
Ja das war 2002, da brauchten wir eine neue Location für die „Tour de France“. Wir hatten mehrere Anfragen, weil die Party schon etabliert war und haben und schließlich für das Muffatwerk entschieden. Hier haben ja auch viele französische Künstler schon gespielt. Erst waren wir im Muffatcafé und sind dann mit der Neugründung des Amperes dorthin gezogen. Und seit zwei Jahren feiern wir die Party in der Milla. Nur die großen Partys mit Live-Bands finden in der Muffathalle statt. Interessanterweise war die "Tour de France" auch eine der wenigen Partys, die von München aus Berlin eroberte. Ich war von 2003 an 10 Jahre lang einmal im Monat mit der "Tour de France" im Roten Salon der Volksbühne
" Ich muss nicht meinen Musikgeschmack durchsetzen"
Wie behalten Sie den Überblick über die neue französische Musik?
Für die Party selbst gibt es ein Repertoire von sicher 70 Prozent der Lieder, das ich gar nicht ändern kann. Denn wenn ich bestimmte Stücke nicht spiele, werden Sie gewünscht. Und ich bin ein DJ, der auf die Wünsche eingeht. Ich muss nicht meinen Musikgeschmack durchsetzen. Aber ich halte mich auf dem Laufenden, habe diverse Newsletter abonniert, lese französische Zeitungen, bekomme aber auch Tipps von Fans der Tour. Ich bin auch mit einigen französischen Musikern befreundet und fühle mich gut informiert. Aber ich kann gar nicht so viele neue Sachen spielen. Die Leute tanzen einfach lieber zu Songs, die sie schon kennen.

Was gehört denn zum klassischen Repertoire?
Immer dabei sind „Marcia Baïla“ von Les Rita Mitsouko, „Ya Raya“ von Rachid Taha oder „Ça plane pour moi“ von Plastic Bertrand. „Alors on Danse“ von Stromae ist auch so ein Stück, das ich immer spiele und natürlich „Je veux“ von Zaz. Ich habe wirklich keine Scheu, populäre Songs zu spielen und daneben schmuggele ich dann neue Entdeckungen ein. Ich habe ganz früh schon Maître Gims gespielt, da kannte den hier kein Mensch. Und jetzt nudelt ihn selbst ein Schnarchsender wie Bayern3 rauf und runter.
Das Publikum gerade in der Milla ist deutlich jünger geworden, viele könnten altersmäßig ihre Kinder sein. Gibt es da einen Generationenkonflikt in der Geschmacksfrage?
Gar nicht, gerade die jungen Partygäste lieben neben aktuellem R&B und HipHop die 80er, das ist bei uns in Deutschland ja ähnlich. Und die singen in der Milla auch bei „Voyage Voyage“ jeden Ton mit.

Wie lebendig ist denn die aktuelle französische Musikszene?
In Frankreich werden auch die Musikbereiche Pop und Rock subventioniert, was ja bei uns in keiner Weise der Fall ist. Junge französische Bands haben es also ein wenig einfacher, die bekommen bei Auftritten in subventionierten Kulturzentren, die jedes Dorf hat, richtig Geld. Das gibt es bei uns nicht. Und das merkt man auch an den Gagenforderungen, die sie in Deutschland abrufen. Aber wenn sie dann mal rauskommen aus ihrem geschützten Raum, entdecken sie in Spanien, Deutschland, Italien oder England wie die Situation wirklich ist.
Die letzte Französin, die international durchgebrochen ist, war ja Zaho de Sagazan.
Sie bietet eine tolle Mischung aus Elektro, Chanson und 80er. Ich kannte sie schon vor ihrem ersten Album und spiele von ihr einige Songs, auch wenn die keine Tanzknaller sind. Live ist sie wahnsinnig gut, wie sie auch im März in der Muffathalle gezeigt hat. Es gab noch nie ein Konzert, bei dem mich so viele Menschen im Vorfeld gefragt haben, ob ich ihnen noch irgendwie ein Ticket besorgen könnte. Aber das Konzert war Monate vorher ausverkauft.

Wie gemischt ist eigentlich das Publikum der „Tour de France“?
Ich würde sagen, dass die französischen und frankophonen Besucher von Beginn bis heute rund die Hälfte der Besucher ausmachen und es kommen immer ein bisschen mehr Frauen als Männer. Für eine Party ist das gut, denn die Frauen gehen schneller auf die Tanzfläche, während die Männer erst noch zwei Bier brauchen, um sich aufzulockern.
Was bietet die Geburtstagsparty?
Am Jubiläumsabend gibt es vor der Party zwei tolle Bands: Les Yeux D’la Tête waren schon ein paar Mal bei uns und werden immer besser. Die Vorband Jagas ist noch ein absoluter Geheimtipp, musikalisch nicht so weit weg von Les Yeux D’la Tête, dabei sehr politisch. Sie haben auch Konstantin Weckers „Sage nein“ auf Französisch gecovert („Dis-non“) und waren deshalb mit ihm in Kontakt. Wer weiß, vielleicht kommt er ja zum Mitsingen vorbei.
25 Jahre „Tour de France“ 12. September 2025, Muffathalle & Muffatcafé, Einlass: 19 Uhr Beginn: 20 Uhr, VVK 30 Euro zzgl. Gebühren / AK 36 Euro