Münchner Fürstenhochzeit von 1568: Schweinisches von Orlando di Lasso
Fast muss man dankbar sein, dass die italienischen Gesangstexte dieses Albums mit Musik von Orlando di Lasso im Beiheft nur englisch übersetzt sind. So kann man die CD bedenkenlos offen herumliegen lassen, ohne in den Ruch zu geraten, die Jugend zu verderben. Denn einige dieser Stücke sind so explizit pornographisch, dass sie einen Don Giovanni erröten ließen. Eines davon, "Matona, mia cara", dürfte mancher Hörer übrigens noch aus seiner Zeit im Schulchor kennen.
Lassos schweinische Meisterwerke
Gleichzeitig wäre es schade, wenn man den ebenfalls nur auf Englisch abgedruckten Begleittext des Ensembleleiters Eric Rice nicht zur Kenntnis nehmen könnte. Denn der Musikwissenschaftler erläutert darin die aktuell anmutenden Kontexte, in denen diese schweinischen Meisterwerke Lassos zu sehen sind.
Einige von ihnen gehören der Gattung der sogenannten Moresche an, Volksliedern mit einem Hang zur derben Zote, die man sogar als doppelt anstößig empfindet, weil sie dazu noch das sprachliche Idiom der dunkelhäutigen Mauren nachahmen: ein ethnisches Stereotyp, das heute zu Recht als bedenklich gilt. Leicht entlastend wirkt höchstens, dass "Matona, mia cara" quasi gleichberechtigt italienisch radebrechende Deutsche veräppelt.
Auf jeden Fall wird anschaulich, dass es bei der legendären Hochzeit des bayerischen Thronfolgers Wilhelm V. mit Renata von Lothringen im Februar 1568 eindeutig zweideutig zur Sache ging. Vor einigen Jahren schon hatte Roland Wilson eine teils spekulative musikalische Rekonstruktion der Münchner Festivitäten vorgelegt. Eric Rice berücksichtigt auf seinem Hochzeitsalbum zwar auch klangprächtige geistliche Werke wie das kraftvoll gesungene und instrumental bunt begleitete "Te Deum", betont jedoch viel stärker das weltliche Repertoire, das zur Abendunterhaltung diente.
Anstößiges geschmackvoll präsentiert
Die exzellenten acht Sänger des amerikanischen Ensembles Origo präsentieren das Anstößige geschmackvoll, doch ohne zu verharmlosen. Hinreißend kommen die theaterhaften Effekte heraus, wenn etwa in "Cathalina, apra finestra" couragierte Frauen liebestolle Männer verspotten. Und der Tenor Lawrence Jones trägt, von der Laute begleitet, eine Canzonette vor - wie, das ist durch historische Zeugnisse verbürgt, vor gut 450 Jahren Orlando di Lasso das höchstpersönlich tat. Da wähnt man sich dem Komponisten, einem der größten, die München je hatte, ganz nah.
Orlando di Lasso: Le nozze in Baviera; Musik für die Hochzeit 1568; Ensemble Origo, Eric Rice (Naxos)
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