Minimalismus gibt München Rhythmus
"Natürlich versuche ich in ,Munich Rhythms' nicht lustig zu sein", schreibt Tom Johnson im Programmheft. Das ist schade! Witze kommen in der Neuen Musik seit dem Ableben von Maurico Kagel und György Ligeti eindeutig zu kurz, und auch in der musica viva des Bayerischen Rundfunks wird zu selten gelacht.
"Munich Rhythms" spielt 252 Möglichkeiten durch, fünf Töne auf zehn Taktschläge zu verteilen. Die Streicher waren als Riesengitarre eingesetzt, die Umfärbung durch die Harmonik und die Instrumentierung unterliefen die Monotonie. Immerhin: ein Stück Minimalismus, der in München lange seltsam verpönt war und nun verspätet wirkt.
Auch den Österreicher Bernhard Lang drängt es kaum zum Schmäh. Sein "schwarzes Licht" erinnerte mit dem grossen Fortissimo gegen Ende an ein Bruckner-Adagio, war aber doppelt so lang wie langsam und höchstens halb so lustig. Wer sich nicht fallen liess, konnte eine Ähnlichkeit mit Chill- und Meditationsmusik entdecken. Die obligate Zither (Georg Glasl) sorgte für asiatische Farbtupfer, alle die reine Schönheit störenden Geräusche waren strengstens verboten.
Überbordend
Zuletzt spielt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter dem Dirigenten Johannes Kalitzke die Komposition "Avenir" von Nicolaus Richter de Vroe. Das halbstündige Stück mobilisierte alle Ressourcen: ein riesiges Orchester, Chor, Orgel und Zusatzinstrumente wie Serpent und eine E-Gitarre. Das leicht Grössenwahnsinnige Überbordende und der Grössenrausch des Stücks nahmen für sich ein.
Richter de Vroe kann hervorragend instrumentieren. Er weiss als Geiger im BR-Symphonieorchester auch, welche fantastischen Möglichkeiten im Chor des Bayerischen Rundfunks stecken. Das ausgebreitete Material hätte für fünf weitere Stücke ausgereicht. Nur die ironischen Seiten des vertonten Gedichts von Henri Michaux, das in einer Zukunft spielt, in der die Leute auf einen Nachmittagskaffee nach Peking fahren, interessierten ihn weniger. Schade eigentlich.