Mehr als klassisch mit Bezuidenhout

Dem Münchener Kammerorchester gelingt unter Jonathan Cohen mit Kristian Bezuidenhout ein Zeitporträt des Herzstücks aller Klassik  
Adrian Prechtel |
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Der Pianist Kristian Bezuidenhout.
Marco Borggreve Der Pianist Kristian Bezuidenhout.

Dem Münchener Kammerorchester gelingt mit Kristian Bezuidenhout ein Zeitporträt des Herzstücks aller Klassik

Programmzusammenstellungen wirken oft willkürlich. Hier aber gelang eines der intensivst-möglichen Konzerterlebnisse: In den neunzig Jahren zwischen Purcells „Fairy Queen“ (1692) und Haydns Klavierkonzert (Hob. XVIII:11) steckt das Herzstück aller Klassik, der Epochenwechsel zwischen Barock und Wiener Klassik. Und genau das wurde hier so fantastisch hörbar, dass man am Ende aufgeklärt erleuchtet und musikalisch bewegt war.

Carl Philipp Emanuel Bach: Schwelle zwischen barocker Galanterie und neuer Empfindsamkeit

Kernstück hierbei war Carl Philipp Emanuel Bachs Konzert für Klavier und Orchester C-Dur (Wq 20), in dem Passagen an den Vater Johann Sebastian anklingen lassen, andere, wie der Schlusssatz, in Freiheit und Frechheit noch über Mozart hinaus zu greifen scheinen. Am Hammerklavier saß der südafrikanische Wahlengländer Kristian Bezuidenhout. Er führte vor, wie diese Musik von 1746 an der Schwelle zwischen spätbarocker Galanterie und neuer Empfindsamkeit klingen muss: klar perlend, strenge Tempi, die sich aber in Soloteilen auch einmal romantisch freispielen dürfen. So geriet der langsame Mittelsatz zu einer Art Nocturne. Bezuidenhout zeigte in jeder Minute die Kunst von Virtuosität ohne Kälte, von Pracht ohne oberflächliche Opulenz. Dass Mozart sich als Kompositions-„Bub“ gegenüber seinem Übervater, diesem Bach-Sohn, bezeichnet hat, legte als Schlussstück etwas von Mozart nahe: hier die Zwischenaktmusiken aus „Thamos, König in Ägypten“, komponiert 1779. Und hier hörte und spürte man – nach „Don Giovanni“-Anklängen bereits Beethovens kommende Macht.

Purcells Feenfüße und Heumacher-Tänze

Der Brite Jonathan Cohen leitete das Konzert des Münchener Kammerorchester – anfangs vom Cembalo aus nur das Tempo vorgebend, wie bei der Suite aus „The Fairy Queen“ seines Landsmanns Henry Purcell. So war der Ausgangspunkt des Abends der barocke Kunst-Tanz: Pizzicato begleitet die Feenfüße, Heumacher tanzen zu Schellentrommeln und eine fast bluesige Kontrabass-Einstimmung gibt der Chinamode der Zeit den Takt vor („Dance for a Chinese man and woman“).
Anfangs wirkte der Klang im vollem Prinzregententheater etwas trocken, als ob man dem historisch spielenden Kammerorchester Vibrato hätte erlauben müssen. Dieser Eindruck verflüchtigte sich aber bei Joseph Haydns Konzert für Klavier und Orchester D-Dur. Hier – in der Wiener Klassik – spielte Cohen auch dynamische Raffinessen aus, die er Purcell und einem Stück von William Boyce (1711–79) verweigert hatte. Aber genau so spannte der Abend einen musikalischen Bogen, machte Übergänge und Epochen-Brüche hörbar. Nichts wurde gegeneinander ausgespielt, alles zur Entfaltung gebracht: anderthalb musikalische Lehrstunden bei höchstem, erhebendem Genuss.    

nächstes Konzert: Sa, 30.1., 22 Uhr, Münchener Kammerorchester, Pinakothek der Moderne, Komponistenporträt von James MacMillan

 

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