Mal butterweich, dann wieder dicker Scheich
Was tun, wenn die Mannschaft immer der Star war, bis einer plötzlich zum Star wird? Vor diesem Problem stand das Berliner Dancehall-Kollektiv Seeed, als man nach langer Durststrecke endlich das vierte Album produzieren wollte. Denn in der Zwischenzeit hatte sich einiges getan.
Die drei Frontmänner, Boundzound, Dellé und Peter Fox, werkelten mit Verve an ihren Soloprojekten, aber nur einer, „Stadtaffe” Peter Fox, startete so richtig durch. Der Hype um ihn wurde bald so groß, dass er sich lieber an sein „Haus am See” zurückziehen wollte, als weiter den Massengeschmack zu bedienen.
Wer nun Bedenken hatte, dass mit Peter dem Großen plötzlich „alles neu” ist bei Seeed, der sei beruhigt. Das Mannschaftsspiel der elf Musiker funktioniert nach wie vor hervorragend. Überraschend nur, dass bei soviel Kreativpower am Ende nur 12 Songs (darunter eine Instrumental-Reprise) mit einer Spielzeit von gerade einmal 40 Minuten herauskamen. Dafür gibt es aber auch kaum Durchhänger.
Bereits die Eröffnung ist wirklich „Beautiful”, ein swingendes Big-Band-Brett mit Anleihen bei Duke Ellington. Ganz nach Seeed mit fetten Bläsern klingt „Deine Zeit”, in dem auch die eigene Agonie („die Glotze glüht, du inhalierst den Dreck, die Nachrichten sind schlecht, du schießt dich weg”) hinterfragt wird.
Reflexion und Gesellschaftskritik bleiben aber erwartungsgemäß die Ausnahme. Auffällig sind die vielen Liebeslieder, wie der entspannte Reggae-Track „You & I”, oder schneller und eindeutiger das kommerzielle Stück „Waste my Time” („lieg wie verhext in deinen Armen, werd butterweich, du bist mein Harem und ich dein dicker Scheich”). Beeindruckend bleibt, wie lässig Seeed Tempo, Sprache und Sound wechseln, ohne jemals beliebig zu wirken. Da sei ihnen auch der anbiedernde Electroausrutscher „Seeeds Haus” verziehen.
CD: Seeed „Seeed” (Warner)
Konzert: 20. November 2012, Olympiahalle
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