Leichtigkeit ohne Schmalz und Pathos
Unliebsame Tournée-Erfahrungen: Vor ein paar Tagen in Berlin geriet das Orchestre des Champs-Élysées in einen Verkehrsstau. Geigerin Isabelle Faust überbrückte die Zeit mit Bachs d-Moll-Partita. Von der angekündigten Brahms-Symphonie mochten die genervten Musiker dann allerdings nur noch einen Satz präsentieren.
Im Gasteig klappte – Gott sei Dank – alles perfekt. Philippe Herreweghe hatte das historisierend spielende Orchester prächtig vorbereitet, was auch vonnöten war, weil seine Dirigiergesten nach wie vor unbeholfen wirken. Wenn es rhythmisch kompliziert wird, wie etwa im sehr rasch genommenen Scherzo der A-Dur-Serenade von Johannes Brahms, blieben die trefflichen Musiker auf sich allein gestellt. Sie taten auch gut daran, sich nicht allzu sehr um die kuriosen Armbewegungen ihres Chefs zu bekümmern.
Der hatte ohnehin seine wichtigste Aufgabe vorher erledigt und die dritte Symphonie von Brahms, das Hauptwerk des Abends, bestens einstudiert. Das musikalische Konzept überzeugte. Das Werk erklang kammermusikalisch aufgefächert, ohne Pomp und Pathos, geradezu intim. Auch Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert war einmal in jener natürlichen Leichtigkeit zu erleben, die ohne romantische Drücker auskommt und dennoch keinen klanglichen Effekt unter den Teppich kehrt.
Das lag auch an der hierzulande sträflich unterschätzten Geigerin Isabelle Faust, die sich nicht nur stilistisch anpasste, sondern mit energischem Drive das Geschehen vorantrieb. Herreweghe hätte es vielleicht etwas bedächtiger haben wollen, aber er folgte ergeben seiner temperamentvollen Solistin, ganz Kavalier der alten Schule.
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