Konstantin Wecker im Interview: Als es Dietl nicht lustig genug klang

München - Noch stehen die Zelte und Stände des Wintertollwood Festivals auf der Theresienwiese, schon wird für das Sommerfestival im Olympiapark geworben. Und es beginnt mit einer Show, wie man sie nicht unbedingt erwartet: eine Filmgala mit Konstantin Wecker, der seine Kompositionen für bekannte Filme vorstellt.
AZ: Herr Wecker, in der Musikarena bei Tollwood wird es diesmal mit Ihnen ein Orchester und eine Leinwand geben.
KONSTANTIN WECKER: "Der Soundtrack meines Lebens" ist ein Herzenswunsch von mir, das mal zu beleuchten. Und dazu werden dann auch Filmszenen eingeblendet. Wenn die Live-Musik mit der Bayerischen Symphonie dann einsetzt, wird der Ton runtergefahren, weil da der Text ablenken würde.
So wurde Konstantin Wecker ein "seriöser, ernsthafter Schauspieler"
Und dirigieren Sie das Orchester?
Nein, ich bin am Klavier. Und werde die Szenen kurz erklären, auch Gäste einladen, die mitgespielt haben, Anekdoten erzählen...
Eine Ihrer ersten Filmkompositionen war für den Erotikfilm "Unterm Dirndl wird gejodelt" des Genrespezialisten Alois Brummer aus dem Jahre 1973.
Ja, da hab ich ein Lied beigesteuert und sing das auch selbst in Lederhosn: "Vroni druck di her!" Das würde ich auch gern beim "Soundtrack meines Lebens" im Juni einspielen.
Dann kamen 1982 "Die Weiße Rose" von Michael Verhoeven und "Peppermint Frieden" mit Peter Fonda.
Das waren sozusagen die ersten seriösen Filmmusiken. Und darüber habe ich Margarete von Trotta kennengelernt, die eine Filmmusik von mir wollte. Wir haben uns unterhalten, und sie sagte: "Weißt du was? Ich schreib Dir eine Rolle in den Film rein!" So bin ich auch seriöser, ernsthafter Schauspieler geworden.
Konstantin Wecker: "Ich sehe die Bilder und improvisiere dazu"
Kommt beim Filmmusik-Komponieren erst das Bild oder erst die Musik?
Ganz unabhängig vom Film habe ich immer meine Texte vertont, so dass eben auch ganz unterschiedliche Lieder entstanden sind. Und beim Umgang mit Bildern ist es auch so: Ich sehe die Bilder und improvisiere dazu und daraus kristallisiert sich dann die Komposition. Meistens bleibt es sogar beim ersten Einfall - natürlich ausgebaut und verbessert. Man kann sich das vorstellen, wie früher bei einem Stummfilmkomponisten. Der Morricone hat es genauso gemacht. Ich bin ja Melodiker, was auch ein Grund war, warum ich mein Kompositionsstudium abgebrochen habe, weil die Modernen in Donaueschingen jede Melodie reaktionär fanden. Das war damals der Zeitgeist.
Konstantin Wecker: "Meine Musik war wieder einmal 'nicht lustig' genug"
Wieviel haben die Regisseure - wie der dominante Helmut Dietl - mitzureden?
Viel natürlich. Zwar hat Dietl immer gesagt: "Du bist der Musiker, also frag mich doch nicht!" Ich habe ihm dann also zu den Filmszenen was vorgespielt, und er hat immer gesagt: "Das ist nicht lustig!" Ich hab wirklich nicht mehr weiter gewusst. Was ist lustig? Was ist lustig?, ging es mir immer durch den Kopf. Und bei der schwarz-weißen Anfangssequenz von "Schtonk!", wo sie versuchen, Hitlers Leiche zu verbrennen, hat er es mir dann klar gemacht. Meine Musik war wieder einmal "nicht lustig" genug, und Dietl hat dann einfach "Davon geht die Welt nicht unter" genommen. Lustig bedeutet nicht etwas mit dem Buffo-Instrument Fagott oder Ähnlichem, es kann sogar was ganz Langsames, sogar Trauriges sein, aber es muss zur Szene lustig sein. Und auch wenn der Dietl oft ruppig und arrogant sein konnte, war er am Set wunderbar.
Sie hatten ja auch Ihren Schauspielauftritt bei Dietls "Kir Royal"...
Als Musiker. Mit Senta Berger. Wir hatten uns da wunder was überlegt, wie wir die Szene anlegen könnten, mit der Hintergrundidee, wir hätten schon mal was miteinander gehabt. Dann haben wir es ihm vorgespielt, und er sagte ganz langsam: "Ja.... schee, aber ich will's halt ganz anders!" Du nimmst einfach a Packerl Noten in die Hand, und auf die Frage, "Kenna Sie das?", sagst einfach: "I kon ois!" Und so war's und das war lustiger als alles, was wir uns ausgedacht hatten.
Konstantin Wecker: "Ich habe auch ein Herz für die Täter"
Sie haben 2008 auch die Musik für "Liesl Karlstadt und Karl Valentin" von Jo Baier gemacht.
Da hab ich mich intensiv mit der Musik der 20er und 30er beschäftigt. Überhaupt habe ich das meiste fürs Komponieren bei der Filmmusik gelernt. Das begann damit, dass ich Anfang der 80er ein Studio in der Toskana aufgebaut hatte, und da sind immer viele Musiker aufgekreuzt, die bei mit auch wohnen wollten. Ich habe dann immer gesagt: Instrument ausgepacken und mitspielen! Ich kann natürlich für Klavier komponieren, auch bei Streichinstrument halte ich mich für kompetent. Aber komponieren Sie mal für Harfe! Das habe ich dann von den Musikern selbst gelernt. Und über die Filmmusik bin ich überhaupt erst Schauspieler geworden, ohne es gelernt zu haben. Das geht nur bei sehr guten Regisseuren, weil ich sonst immer nur ich bin. Und da hatte ich 2010 diese gespenstische Erfahrung bei "Wunderkinder" von Marcus O. Rosenmüller, wo ich einen SS-Offizier spiele. Das hat mein Leben verändert, weil mir klarwurde, dass wir alles in uns haben - eben auch das absolut Böse. Und wir daher auch dauernd aufpassen müssen, dass es nicht ausbricht. Ich habe auch ein Herz für die Täter, nicht für ihre Taten, für die man sie immer zur Rechenschaft ziehen sollte, aber für die arme Sau, die im Leben so schlechte Erfahrungen gemacht hat, dass sie zum Beispiel zum Neonazi geworden ist, auch wenn ich politisch und gesellschaftlich diesen Brüdern keinen Zentimeter freiräume.
Konstantin Wecker: "Da wurde ich aus den Dreharbeiten heraus verhaftet"
Wird dann der politische, gesellschaftskritische Wecker im Juni beim "Soundtrack des Lebens" stiller sein?
Ja, aber ich habe auch ein Lied für den Film "Weiße Rose" geschrieben. Aber Michael Verhoeven hat gesagt, er will kein Lied drin haben, das passt nicht. Die Melodie ist dringeblieben. Aber es wurde dann eines meiner zentralen Lieder auf der Bühne: "Jetzt haben sie Euch zur Legende gemacht" - "Die Weiße Rose". Das werde ich dann natürlich singen. Und dann, wenn die Senta Berger kommen kann, könnten wir auch ein Liebeslied singen, das ich für sie und für die Serie "Ärzte: Dr. Schwarz und Dr. Martin" geschrieben hatte. Da wurde ich aus den Dreharbeiten heraus verhaftet. Und sie hat dann für mich ausgesagt, weil der Staatsanwalt gegen jegliche "Unzurechnungsfähigkeit" war: Da hat sie die Filmszene erwähnt, wo ich mit ihr, der wunderbaren Senta Berger im Bett liege, und einfach eingeschlafen bin, so fertig war ich. Da ist man doch nicht mehr zurechnungsfähig, oder? Aber das Lied könnten wir im Juni singen.
Sommer-Tollwood, Musik-Arena, 16. Juni 2023, 19 Uhr