Konstantin Wecker: "Ich bin halt ein Klassiker"

Es geht ihm nicht gut. Die Bandscheibe. Und dennoch blitzen bei Konstantin Wecker die Augen, wenn er von dem spricht, was da kommt: die große Jubiläumstournee anlässlich seines 75. Geburtstags. Auftritt an Auftritt reiht der Münchner Liedermacher im Oktober aneinander. Dreimal hintereinander spielt er gar im Circus Krone. Ob er keine Angst davor hat, dass der Körper schlapp macht, wieder Konzerte, diesmal ganz ohne Corona, verschoben werden müssen?
Nach kurzem Zögern huscht ein mildes Lächeln über sein Gesicht. Er wüsste da schon ein paar Gegenmittel, "Kortisonspritzen" zum Beispiel, oder auch wenn es wehtut, nicht im Rücken, aber im Herz, ruhigere Abende nach den Konzerten. Wasser statt Jägermeister. Hotelbett statt Barhocker. Und überhaupt, letzte Woche auf der Banzer Klosterwiese hätte es doch auch geklappt.
Mit mächtig Adrenalin im Körper konnte Wecker 4.500 Menschen vier Stunden lang mit seinem Mix aus sanfter Posie und gesellschaftskritischen Liedern wie "Willy" begeistern. Mal wieder. Auch wenn kurz vor dem Auftritt der Notarzt anrücken musste. Der war sicher auch vor über 30 Jahren in Bereitschaft, als Wecker harte Drogen nahm, und wie er heute selbstironisch sagt, die Leute "eher aus Mitleid" zu ihm kamen.
"Ich singe, weil ich ein Lied hab"
"Dankbar im Alter" wäre er mittlerweile geworden, stolz auf das Erreichte, ohne deswegen das eigene Ego ständig streicheln zu müssen. Fast demütig blickt hier jemand, beim Pressegespräch, auf sein Schaffen zurück, ohne in schulterklopfende Altersmilde zu erstarren. Mit 20, 25 Jahren wäre er, der Wecker, ein "elender Macho" gewesen, der aber eben auch zu einer lebensklugen, zarten Poesie fähig war, die er damals, in der wilden Zeit, gar nicht hätte begreifen können. "Die Frauen liebten sie, meine Liebeslieder. Dann haben sie mich gesehen", scherzt er heute über diese dunkle Zeit. Auf seiner ausgedehnten Tour, die seinem Motto entsprechend als "Ich singe, weil ich ein Lied hab" überschrieben ist, möchte er sie alle spielen, die großen Lieder aus seinem 50-jährigen Schaffen.
Begleitet wird er dabei von neueren Weggefährten wie der feinsinnigen Cellistin Fany Kammerlander. Aber auch alte Bekannte wie der Saxophonist Norbert Nagel, der Wecker auch in seiner Drogenphase beigestanden hat, stehen mit dem Münchner Liedermacher wieder auf der Bühne.
Schade findet Wecker nur, dass er auf ein Symphonieorchester verzichten muss. Die Kosten, klar. Aber es hat auch etwas verschmitzt Doppeldeutiges, wenn Wecker erklärt: "Ich bin ein Klassiker". Denn einerseits haben viele seiner Lieder längst diesen Klassikerstatus inne. Anderseits besitzt Wecker auch ein Faible für klassische Musik.
Begeistert erzählt der Künstler in diesem Zusammenhang von einem Treffen mit Carl Orff. 40 Jahre ist sie nun her, die "wunderschöne Begegnung" mit dem Komponisten der von Wecker heißgeliebten "Carmina Burana". Überrascht sei Wecker gewesen, dass Orff sich regelrecht auf seinen weitaus jüngeren, wilderen Gesprächspartner vorbereitet hatte.
"Wenn der Sommer nicht mehr weit ist"
"Spiel Bua!", hätte er zu ihm gesagt. Wecker folgte der unmissverständlichen Aufforderung mit "Wenn der Sommer nicht mehr weit ist". Und während Orff das Klavier umrundete, festigte sich bald das Urteil des kurze Zeit später verstorbenen Komponisten: "Ein Schubert bist du nicht, ein Mozart auch nicht. Ich glaub', du bist der Wecker!"
Dass dieser Musiker längst auch eine Marke ist, sich aller negativen Einschläge zum Trotz nie verbogen hat, müssen ihm selbst Kritiker zugestehen. Und die werden auch im Alter nicht weniger. Zum ersten Mal in der Öffentlichkeit angegriffen wurde er für sein Album "Liebesflug". 41 Jahre ist das her. Zu soft seien die Songs gewesen, zu wenig angriffslustig die Texte, zu angepasst die Musik.
Heute ist es weniger die Musik, mit der Wecker polarisiert, sondern seine politische Haltung. Klar positioniert sich Wecker seit Jahren als Pazifist. Eine Prinzipientreue, die sich auch mit dem Krieg in der Ukraine nicht geändert hat. Und während in den Sozialen Netzwerken der Mob tobt, auch mal die Kinder von Wecker böse beleidigt werden, sei ihm das Publikum dankbar für sein pazifistisches Verständnis: "Mir ist es wichtig, vielen Menschen Mut zu machen zu sich selbst zu stehen, damit sie weiter ihren Weg gehen, aller Hindernisse zum Trotz."
"Ich singe, weil ein Lied hab"-Tour: 28./29./30. Oktober, Circus Krone, www.reservix.de