Karamba, Karacho: Alle lieben Heino?
Ein angeblicher Rockerkrieg und eine Lederweste mit Nieten: Heino, der Sänger der rechtschaffenden Bürger, ist zurück
Seit ein paar Tagen steht Deutschland Kopf und gibt sich die neue Heino-Platte in Endlosschleife. Tatsächlich? „Mit freundlichen Grüßen“ heißt sie, und die Welt ist um ein paar Coverversionen von Rammstein über Peter Fox bis zu den Ärzten reicher.
Auftakt war ein Rockerkrieg, wie die „Bild“ schlagzeilte. Mit Beschimpfungen der Lederjackenfraktion. So ganz Rockerkrieg war’s dann doch nicht, Rammstein verwahren sich auf der Internetseite, je ein Statement abgegeben zu haben. „Bild“ nennt auch bei keinem Zitat Ross oder gar Reiter.
Bestellt und reingehört: Tatsächlich kann man aus musikalischer Sicht wenig gegen das neue Album haben. Brav arrangiert, mit Backgroundsängerinnen und lebendig groovender Band, plustert sich Heinos Bariton auf wie vor 40 Jahren.
„Und wie du wieder aussiehst – Löcher in der Hose, und ständig dieser Lärm“, singt er in „Junge“. Und was die Ärzte einst als ironische Momentaufnahme einer vergangenen Generation verstanden, wird bei Heino zum heiligem Vater-Ernst, bis hin zu der Zeile: „Willst du, dass wir sterben?“
Für dieses Lederwestchen würde einen jeder Hells Angel verprügeln
Dazu trägt der 74-Jährige jetzt einen schwarzen Totenkopfring, wahlweise ein Lederwestchen mit Nieten, für das einen jeder Hells Angel verprügeln würde, und dann und wann sogar noch einen Ghettoblaster. Rock ist hier geronnenes Klischee – das funktioniert so gut, dass die Metal-Buben von Callejon Heino auf das Branchentreffen in Wacken eingeladen haben. Die Festivalveranstalter haben sich dagegen verwahrt. Vorerst muss Heino die Hallen bei Florian Silbereisens „Frühlingsfest“ rocken.
Da geht mehr. „Das verbotene Album“ kündet eine Banderole auf der CD, quasi als selbstentwickelter „Parental Advisory“-Sticker. Darf der Heino das? Eindeutig ja. Dieses Album ist so verboten wie Schwarzwälder Kirschtorte. Reinhard Mey wollte sein „Über den Wolken“ auch nicht von Dieter Thomas Kuhn vertont wissen, der dazu als Ironieschlagerfuzzi auf Plateauschuhen über die Bühne turnte. Genutzt hat es Herrn Mey nichts.
Denn solange nichts an Melodie und Text verändert wird, kann jeder Coverversionen singen, soviel er will. Die Rechteinhaber müssen nur finanziell auch beteiligt werden. Und da wird der Heino keinem den Stinkefinger zeigen.
Er weiß schließlich, was sich gehört. 1967: Ehrenwerte Prügelperser knüppeln auf Demonstranten ein und ein Unruhestifter wie Benno Ohnesorg wird erschossen. „Kein schöner Land in dieser Zeit“ heißt die Heino-Platte des Jahres, mit denen sich der rechtschaffende Bundesbürger in die Besinnungslosigkeit schunkelt.
Erhebendes Liedgut für alle Freunde des Vaterlands
„Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“ singt der Heino später tapfer. Klar, die NVA hat dieses antiklerikale Kampflied der bündischen Jugend aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auch gerne schallen lassen. Ein ewiger Querulant, wer jetzt darauf verweist, dass dieses Lied auch zum Schlagerrepertoire der Waffen-SS gehörte.
Heino war noch nicht drei Jahre alt, als sein Vater im Krieg fiel. „Es sitzt ein Soldat am Wolgastrand“ – einfach „schöne Lieder“ seien das, sagt Heino da gerne mal. Auch der Ivan Rebroff hat das schalmeit. Und wer da behauptet, dass einem alten Kameraden, der von dem Soldaten hört, der so fern die Heimat bewacht, die Augen ganz glasig werden, ist ein Schelm.
Ist ja auch kein Unrecht. Schließlich ist das Deutschlandlied, das Lied, das Schöne, gleich dreimal so schön, wenn man alle drei Strophen aus berufenem Heinomunde hört. „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“ – nachzuhören beispielsweise auf der Platte „Uns geht die Sonne nicht unter“ von 1977. Vaterlandsfreunde finden hier auch „Die Wacht am Rhein“ und Ernst Moritz Arndts Nationalistenhymne „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“.
Und, ach ja, wer wollte es der Landsmannschaft Schlesien versagen, zu Heinos „Mein Schlesierland“ und der Zeile „kehr ich einst zur Heimat wieder“ in sich hineinzudenken, dass dieses Deutschland doch größer als die Bundesrepublik ist.
Heinz Georg Kramm, wie Heino bürgerlich heißt, mag ein netter Kerl sei, der jeden Braunton empört von sich gewiesen hat. Kann man ihn dafür verantwortlich machen, wenn sich die Falschen mit seiner Platte ins Kämmerlein zurückziehen? Solange sie dafür gezahlt haben?
Natürlich nicht, denn heute wissen wir ja besser: In dieser Welt ist Augenzwinkern erste Bürgerpflicht. Zeit, den Heino an unser ironieerprobtes Herz zu drücken. Schließlich ist er ja jahrelang „veräppelt“ worden, wie er sagt.
Und einer der Oberveräppler war wohl Der wahre Heino, der im Vorprogramm der Toten Hosen eine Weile auch mit blonder Perücke auf der Bühne stand. Spaß muss sein. Heino hat den wahren Heino verklagt. 10000 Mark Unterlassung. Und auch wenn der wahre Heino die Strafe dank der Hosen hätte zahlen können, nahm er das Geld und saß die Strafe im Knast ab.
Yello Biafra, Kopf der amerikanischen Politpunker von den Dead Kennedys, soll eine große Sammlung von Heino-Platten besitzen – um Freunden zu zeigen, wie ungeheuer seltsam Musik sein kann. Ach ja, seltsam: bis Dienstag haben wir sie noch, die närrische Zeit. Ordentlich warmtrinken, bis der Schädel summt. Aufstellen zur Polonaise. Und dann ab durch die Mitte, mit der neuen Heino-CD. Funktioniert. Jede Wette.
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