Julia Fischer und Daniel Müller-Schott im Interview

Die Geigerin Julia Fischer und der Cellist Daniel Müller-Schott haben zusammen eine CD aufgenommen
von  Christoph Forsthoff
Julia Fischer und Daniel Müller-Schott.
Julia Fischer und Daniel Müller-Schott. © Schneider

Die Geigerin Julia Fischer und der Cellist Daniel Müller-Schott haben zusammen eine CD aufgenommen

Selten so viel gelacht: Auf der Bühne sind Julia Fischer und Daniel Müller-Schott die Ernsthaftigkeit in Person – doch im Doppelinterview kommen die Geigerin und der Cellist entspannt und gelöst daher. Was sicher auch an der gemeinsamen bayerischen Heimat und deren „herzlicher Stimmung“ liegt, wie der 39-jährige Cellist sagt. Wichtiger dürfte jedoch sein, dass die beiden seit 20 Jahren nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine persönliche Freundschaft verbindet – eine Freundschaft, die nun zu einem Duo-Programm auf CD mit Werken von Ravel, Kodály und Schulhoff geführt hat.

AZ: Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung?

DANIEL MÜLLER-SCHOTT: Das war im Juni 1996. Wir saßen beide in einer Talkrunde des Bayerischen Rundfunks mit dem Titel „Hochbegabt – was dann?“, und es wurde diskutiert, wie man mit Hochbegabung und besonderem Talent umgehen soll.

Und was war damals Ihr erster Eindruck vom anderen?

MÜLLER-SCHOTT: Ich war sehr beeindruckt von der Bestimmtheit, mit der Julia schon damals in der Podiumsdiskussion ihre Thesen vermittelt hat. Sie war 13, doch ich hatte den Eindruck, sie war ihrer Jugend weit voraus und hatte schon ganz klare Vorstellungen, wie es mit Schule und Studium weitergehen sollte.

JULIA FISCHER: Ich fand Daniel damals eher introvertiert – vor allem im Vergleich zu mir, und ich glaube, das ist bis heute so, wenn wir in der Öffentlichkeit auftreten: Ich rede einfach lauter. Damals gab es aber zudem noch ein echtes Missverhältnis: Ich war 13 und noch ein Kind, und Daniel war 19 und schon ein Erwachsener.

Nun ist bei Ihnen aus dieser ersten Begegnung schon bald eine echte musikalische Freundschaft entstanden.

FISCHER: Daniel ist wahnsinnig neugierig – in jeder Hinsicht: musikalisch wie auch im Repertoire und im Ausprobieren von Instrumenten, Bögen und Saiten. Er ist einer derjenigen, die immer weitersuchen – und das finde ich beeindruckend.

Nun verbindet Sie beide inzwischen weit mehr als nur die Musik.

MÜLLER-SCHOTT: Das ist ganz wichtig, denn ich glaube, dass es über die Musik hinaus noch viel mehr geben muss. Die menschliche Seite ist einfach untrennbar von der Musik. Und wenn man sich da versteht und das Gefühl hat, dass es ein Vertrauen gibt und man sich gegenseitig unterstützt, dann ist das die Basis dafür, dass dies über Jahre und Jahrzehnte, ja vielleicht sogar ein ganzes Leben hält und man immer Freude hat, miteinander zu musizieren.

Wer Sie auf der Bühne sieht, erlebt stets zwei sehr ernste Künstler.

MÜLLER-SCHOTT: In der Musik öffnet man sich in jedem Bereich und ist gänzlich ungeschützt – was einerseits schön ist, aber andererseits eben auch dazu führen kann, dass man manchmal Unterstützung braucht. Und gerade durch gemeinsames Musizieren kann man sich dann in vielen Dingen helfen.

Ist diese gegenseitige Hilfe auch ein Grund dafür, dass es Sie beide immer wieder zur Kammermusik zieht, obwohl Sie es sich ja als erfolgreiche Solisten bequemer machen und sich auf die Solokonzerte konzentrieren könnten?

MÜLLER-SCHOTT: Alle Komponisten haben die Kammermusik stets als inneres Zentrum ihrer Musik gesehen. Die Kammermusik ist nun einmal der Ursprung und die intimste Form des Musizierens – von dort dehnt sich alles aus bis hin zur großen orchestralen Form und Oper.

FISCHER: Wenn man den Beruf des Musikers ergreift, um es dann einfach zu haben, ist das sicher nicht der richtige Weg. Man muss sich immer weiterentwickeln und dazulernen wollen – und hier ist die Kammermusik der Weg mit den größten Inspirationsmöglichkeiten. Wenn ich mit einem, zwei oder drei Musikern gemeinsam ein Werk erarbeite, bekomme ich natürlich viel mehr Input, als wenn ich nur alleine vor mich hin übe.

Wirkt sich das vorteilhaft auf Ihre Soloauftritte aus?

MÜLLER-SCHOTT: Wenn du als Solist vor dem Orchester stehst, hast du nicht diesen Kontakt zu den Musikern, wie ihn dir die Kammermusik ermöglicht. Aber wenn du kammermusikalisch geschult bist und vor einem Orchester stehst, dann hörst du völlig anders hin und nimmst auch wahr, was hinten in der Flöte oder der Oboe, ja sogar am letzten Pult der Geige passiert und wie das alles zusammenhängt. Dadurch werden auch das Gehör und das Wahrnehmungssensorium extrem geschult.

Bei so viel Begeisterung für die Kammermusik und das gemeinsame Musizieren lag es nahe, dass Sie auch einmal etwas im Duo machen wollten. Pech nur, dass es so wenig Repertoire für diese Besetzung gibt.

FISCHER: Natürlich gibt es im Duo-Bereich nicht so viel…

MÜLLER-SCHOTT: Aber das kann ja noch werden: Man sollte unbedingt auch zeitgenössische Komponisten fragen, etwas für Cello und Violine zu schreiben, vielleicht auch für Geige, Cello und Orchester – so eine Art modernes Brahms-Doppelkonzert.

Haben Sie bei diesem Duo-Projekt einander von einer neuen Seite kennengelernt?

MÜLLER-SCHOTT: Für mich gibt es immer etwas Neues zu entdecken, wie zum Beispiel bei diesem Projekt Julias Offenheit bei der „Bogengeschichte“: Durch Zufall war ich kurz vor Beginn der Aufnahme in München beim Geigenbauer, der einen tollen Geigenbogen hatte – und da habe ich sofort an Julia gedacht. Ich konnte sie dann überreden, für die Aufnahme den Bogen einmal auszuprobieren.

FISCHER: Und ich habe mich beeinflussen lassen und den Bogen sogar gekauft!

Sie legen auf solche Dinge nicht so viel Wert, Frau Fischer?

FISCHER: Was das anbelangt, sind wir völlig verschieden: Sind wir in einer fremden Stadt, schaut Daniel erst einmal, wo die Geigenbauer sind oder wer die berühmten Celli hat, und probiert dann alles aus – und ich mache das halt nicht.

Woher kommt das?

FISCHER: Das hängt wohl damit zusammen, dass ich ursprünglich vom Klavier komme und meine Beziehung zum Instrument nicht so innig ist wie zwischen Daniel und seinem Cello, weil es für mich am Ende doch nur ein Mittel zum Zweck ist. So ist es für mich auch zweitrangig, ob ich Klavier oder Geige spiele. Für mich ist immer die Musik das Ziel und nicht das Instrument. Wenn ich eine freie Stunde habe, verbringe ich sie lieber mit der Partitur als mit dem Instrument.

MÜLLER-SCHOTT: Natürlich beschäftige auch ich mich mit der Partitur, aber das Streichinstrument ist halt etwas ganz Persönliches, eine eigene Stimme, die sich individuell formen lässt. Und da habe ich einfach eine große Freude daran, mit Details wie Saiten oder Bögen zu experimentieren: Kann ich die innere Stimme und die Vermittlung von Musik vielleicht noch weiter intensivieren?

Wie sieht Ihr Alltag als Musiker aus?

FISCHER: Mein Leben ist ein völlig anderes, als es von außen gezeichnet wird. Seitdem ich Kinder habe, bin ich eine Woche im Monat unterwegs und die übrige Zeit zuhause. Wenn ich im Beruf bin, nutze ich die 24 Stunden des Tages, schlafe unterwegs extrem wenig und versuche beruflich alles zu erledigen, damit ich zuhause zu 100 Prozent für meine Familie da sein kann – sonst würde es auch nicht funktionieren, beides miteinander zu verbinden.

Was zeichnet eine Freundschaft für Sie aus?

FISCHER: Loyalität, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit…

MÜLLER-SCHOTT: Vertrauen...

FISCHER: Und auch der Respekt vor einer anderen Meinung – so dass man nicht versucht, den anderen zu ändern. Jeder Mensch hat besondere Eigenschaften, von denen man profitieren kann. Und dann gibt es Tage, an denen man diese vielleicht nicht so gut findet. Doch letztlich geht es um Loyalität – und wir sind beide sehr loyale Menschen.

Julia Fischer & Daniel Müller-Schott: "Duo Sessions" (Audio-CD, Orfeo).

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