Hoch auf dem gelben Wagen, mit dem Polenmädchen im Arm
Mitte der 80er hatte der Anarchokomiker Otto Waalkes in „Otto – Der Film“ eine Vision. Angelehnt an Michael Jacksons „Thriller“-Video, brach die Friedhofserde auf. Es entstiegen sieben Heino-Zombies, die synchron im Technorap „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ skandierten. Und Abmarsch im Stechschritt über die Gräber.
Vier Jahre später stand der einzig echte Heino auf der Showbühne und sang der Nation vor, dass der Enzian so blau blüht – während als Playback eine Art Disco-Rap-Sound lief. In diesem Jahr hat er sich ein Lederwestchen angezogen und trägt einen schauerlichen Totenkopfring. Mit Volksrock und PR-gesteuertem Skandälchen ging es auf Platz 1 der Charts. Heute wird Heino 75.
Er hat eigentlich alles gesungen, was nicht niet- und nagelfest war. 50 Millionen Alben hat er verkauft. Im Januar wird er wieder in deutschen Kirchen zum Lob des Herrn schalmeien. „Die Himmel rühmen“ heißt sein Programm mit klassischen Schlagern von Schubert bis Beethoven. Und dann soll es wieder ein Rockalbum geben.
Herr im Himmel, der Mann ohne Augen und mit dem blonden Haarhelm vereinigt seit seinem ersten Erfolg 1965 ganz Deutschland in sich. Er ist Kumpel für alle, die nahtlos von der Vorkriegs- in die Nachkriegszeit flutschen wollten. Hier war man wieder, schunkelnd vereint, bei Bier und Korn, mit dem Polenmädchen im Arm, hoch auf dem gelben Wagen, unterwegs zum Edelweiß auf Bergeshöhen und weiter zum Carneval in Rio, zur Ponderosa oder nach Tampico – egal. Solange man mit alten Kameraden das Glas voll Wein hebt, wartet in jedem Wirtshaus eine schwarze Barbara.
Die Amtszeit des Jungen aus Düsseldorf, der einst Konditor werden wollte, und der 2005 eine Abschiedstournee spielte, überdauerte Kiesinger, Brandt, Schmidt, Kohl und Schröder. Und zeigte konform zum alles vereinnahmenden Merkelismus, dass sich an die Zeit, als es noch Gegenkultur gab, keiner mehr erinnert. Gestern noch „Die Wacht am Rhein“, heute Rammsteins „Sonne“. Gestern Apartheids-Südafrika, heute Wacken-Festival. Auch im Jahr 75 nach Heino bleibt es dabei: Dies ist das Land, wo wir uns winden, wohl unter Linden.