Kritik

Helge Schneider im Circus Krone: Wenn alte weiße Männer, dann bitte genau so!

Der Komiker verzaubert sein Publikum mit viel Klamauk und noch mehr Musik. Zum Glück war es nicht der letzte Abend mit Helge Schneider in München.
von  Anne Fritsch
Helge Schneider im Circus Krone.
Helge Schneider im Circus Krone. © Jens Niering

München – "Ich arbeite gerne mit Leuten, die normalerweise im Altenstift vergammeln", sagt Helge Schneider, als er seine Band vorstellt: Sandro Giampietro an der Gitarre, Reinhard Glöder am Kontrabass, Willy Ketzer am Schlagzeug, Sergej Gleitmann an der Geige – und auf der Yogamatte. Und ja: Da stehen oder sitzen im Circus Krone fünf weiße alte Männer auf der Bühne plus ein etwas jüngerer weißer Mann, der Pfefferminztee serviert – und was die da treiben, ist ein mehr als ein Spaß. Viel mehr: ein richtig guter Abend.

Schnörkellos old school bei "Katzeklo auf Rädern" 

Helge Schneider kann man nun lieben oder lassen. Aber, so viel vorweg: Man verpasst ziemlich viel, wenn man ihn lässt. Darum macht sich die Autorin voller Vorfreude auf den Weg zum Circus Krone, wo Schneider an drei Abenden sein Programm "Katzeklo auf Rädern" zeigt oder vielmehr: lebt. Draußen gibt es allerlei Merch (zugegeben: T-Shirt-Design ist jetzt nicht seine größte Stärke), ansonsten geht es schnörkellos zu. Man könnte sagen: old school.

Der Komiker, Kabarettist, Schauspieler, Sänger und Multiinstrumentalist Helge Schneider.
Der Komiker, Kabarettist, Schauspieler, Sänger und Multiinstrumentalist Helge Schneider. © abz

Helge Schneider und seine Band betreten die Bühne, los geht's. Helge stimmt ein Lied an und verkündet nach circa zehn Sekunden: "So, das erste Lied haben wir geschafft." Er lässt sich von Bodo Oesterling einen Pfefferminztee servieren und verspricht: "Alle Lieder, die heute gesungen werden, sind mit Musik." Mit Text sind sie dagegen nicht immer, im Laufe des Abends taucht Helge Schneider immer tiefer in jene Sphären ein, die er früher manchmal als "Straf-Jazz" bezeichnet hat, wenn ihm das Publikum zu albern wurde.

Eine Übung in kultureller Aneignung

Helge Schneider kann eigentlich alles. Von Herbert-Grönemeyer-Soundalikes ("Auf dem Balkon steht ein Kasten Bier") bis Duke Ellington, von Sprechgesang bis Jazz. Richtig los geht's gleich zu Beginn mit den "Trompeten von Mexiko". Helge Schneider trompetet ziemlich virtuos, während Sergej Gleitmann im Hintergrund mit einem Folklore-Umhang über die Bühne schleicht und sich in kultureller Aneignung übt.

"Schön hat er den Mexikaner nachgemacht", lobt Helge. "Das muss man sich erst mal trauen." Und schon sind wir mitten drin in diesem Helge-Schneider-Kosmos, der sich zusammensetzt aus Unsinn und Musik, in dem E und U verschmelzen zu ungewohnter und ungeahnter Harmonie.

Helge Schneider im Circus Krone.
Helge Schneider im Circus Krone. © Jens Niering

Helge tänzelt über die Bühne, ist Entertainer und Musiker und Dirigent und verweigert sich zugleich jeder Einordnung, da er jede Rolle sofort wieder bricht. Er dirigiert dem Gitarristen Sandra Giampietro das Toupet vom Kopf, performt seinen Hit "Katzeklo" mit vollem Körpereinsatz und verhindert gekonnt, dass nur Virtuosität abgefeiert wird. Damit beispielsweise nicht zu viel Konzertstimmung aufkommt, macht Sergej Gleitmann im Nikki-Overall auf einer Yogamatte vor Helges weiß-barockem Flügel Turnübungen zur Musik, eine Kerze und mehrere Purzelbäume. In Helges Worten: "Eine wunderschöne sportliche Nummer!"

 

Das ist das Prinzip Helge Schneider

Wahrscheinlich ist das Helge Schneiders ziemlich offenes Geheimnis: nichts ernst nehmen, schon gar nicht sich selbst. Er praktiziert das ziemlich erfolgreich, macht sich vor allem über einen lustig, nämlich sich selbst. Seine neueren Lieder haben englische Titel, damit er bei seinen "jüngeren Kindern" gut ankommt. Die Texte sind dann aber trotzdem deutsch, fügt er grinsend hinzu. Und dass ein Lied den Titel "Love on the couch" – oder kurz "LOTC" –  trägt, hindert ihn nun wirklich nicht daran, darin über Erdnussflips, Wolldecken und VHS-Kurse wie "Stricken ohne Nadel, Backen ohne Ofen, Ficken ohne Frau" zu singen. Das ist das Prinzip Helge: den Blick auf die belanglosesten Dinge heften und sich von dort aus ins Abstruse schrauben.

Helge Schneider im Circus Krone.
Helge Schneider im Circus Krone. © Jens Niering

"Katzeklo auf Rädern" ist ein Abend, in dem alles gleichberechtigt Platz hat, das Hohe und das Niedere,  und der all die eines Besseren belehrt, die meinen, man müsse sich entscheiden. Helge entscheidet sich für alles und tut gut daran. Auf die virtuose Saxophonnummer "Easy Living" von Ralph Rainger folgt seine Version der "Vogelhochzeit", bei der der Auerhahn sich auf die Deutsche Bahn verlässt und die Alaska-Schneegans den längsten Weg hat. Frei nach dem Motto "Schade, aber egal" feiert Helge die eigenen Hits wie "Katzeklo" zu Beginn ab, um sich dann in abseitigere Gefilde hoch- und runterzuspielen.

Die Moral des Abends? Wenn alte weiße Männer, dann bitte genau so!

Helge Schneider tritt noch einmal am 3. und 4. Mai im Circus Krone auf.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.