Guns N’ Roses wollten die Allianz Arena rocken - aber die Vorband stiehlt die Show

Guns N’ Roses geben das allererste Konzert in der Allianz Arena – mit durchwachsenem Ergebnis. Während Axl Rose mit der Stimme kämpft, liefert die Vorband eine überzeugende Show.
von  Dominik Petzold
Guns N’ Roses spielten am 20. Juni in der Allianz Arena in München -  ein Rockabend mit Höhen und Tiefen (Archivbild).
Guns N’ Roses spielten am 20. Juni in der Allianz Arena in München - ein Rockabend mit Höhen und Tiefen (Archivbild). © imago/ZUMA Wire

Das wichtigste Fazit des Abends aus Münchner Sicht vorneweg: Die Allianz Arena taugt als Rockstadion. Da das Olympiastadion saniert werden soll, finden hier bis 2027 Großkonzerte statt, und zur Premiere sind Guns N‘ Roses nach Fröttmaning gekommen. Da ist die bange Frage: Wie klingt’s? Wären nur Guns N‘ Roses aufgelaufen, würde auch die Antwort eher bang ausfallen, dazu gleich mehr, aber sie haben eine Vorband mitgebracht, die das Münchner Rockpublikum beruhigen kann: die Rival Sons. 

Die starten um 18 Uhr im noch recht prallen Sonnenschein. 55.000 Zuschauer passen in die Arena, wenn die Bühne auf der Kopfseite steht wie heute, später werden fast alle Plätze besetzt sein. Aber die Ränge sind noch nicht allzu prall gefüllt, als die Kalifornier ihre massiven Riffs in die Allianz Arena knallen. Die klingen für Open Air-Verhältnisse ziemlich gut. Klar, den Bass spürt man eher, aber alles andere hört man prima, die Rival Sons klingen wuchtig und kompakt, ihr blues-basierter Retro-Hardrock ist ja auch perfekt auf Stadion-Dimensionen zugeschnitten: Er meidet alle Schnörkel und überflüssigen Noten, die sich in der Arena zu Soundbrei vermischen könnten.

Die Fans haben sich in Schale geschmissen: Sophia, Lara und Conny aus Bärnau in der Oberpfalz (v.l.) sind als Axl und Slash angereist.
Die Fans haben sich in Schale geschmissen: Sophia, Lara und Conny aus Bärnau in der Oberpfalz (v.l.) sind als Axl und Slash angereist. © Dominik Petzold

Eine Wahnsinns-Rockröhre füllt die Arena - zumindest kurz

Auch bei der mächtigen Power-Ballade „Mosaic“ fügen sich die musikalischen Mosaiksteine prima zusammen. Vor dem Song bittet Sänger Jay Buchanan die Merchandising-Frau der Band auf die Bühne, ihr Freund folgt ihr und macht ihr auf Knien einen Heiratsantrag, unter dem Jubel der Zuschauer. Die haben ihren Spaß mit den Rival Sons und Sänger Jay Buchanan, der im burgundroten Dreiteiler und barfuß auftritt. Er sieht mit seinem Vollbart aus wie der Free- und Bad Company-Sänger Paul Rodgers und singt auch genauso stark. Seine Wahnsinns-Rockröhre füllt eindrucksvoll die Arena, und man wundert sich: Wieso hat Axl Rose einen solchen Sänger im Vorprogramm zugelassen?

Schließlich wurde vom vorangegangenen Düsseldorfer Konzert Fürchterliches über den Zustand von Axls Stimme berichtet, und im Internet wird er schon länger mit Micky Maus verglichen. Doch als er dann um 19.45 Uhr nach Duff McKagan und Slash die Bühne betritt, klingt „Welcome To The Jungle“ überraschend okay. Funktioniert die Stimme doch noch? Leider nicht so recht, wie schon bei den rockenden „It’s So Easy“ und „Mr. Brownstone“ immer hörbarer wird und beim Cover von Paul McCartneys „Live And Let Die“ endgültig. 

Der Sound wabert durch die Arena

Die hohen, gepressten, sirenenartigen Passagen kriegt Rose noch hin, auch wenn mitunter Töne schief sitzen. Unten im Bariton hat die Stimme auch noch Substanz. Nur dazwischen kommt nichts Rechtes mehr aus den Stimmbändern. Und so gibt es bei Melodien mit wechselnden Tonlagen immer wieder seltsame Lautstärkensprünge: Manche Zeilen sind kaum zu hören, dann sticht ein Ton schrill heraus. Und wenn Axl die Stimme nicht presst, sondern mittellaut singt, kommt nicht viel mehr als ein Wispern. Bei „Estranged“ ist der Gesang trotz leiser Begleitung kaum hörbar, später bei „Civil War“ passt nicht recht zusammen, was man auf der Großleinwand sieht und hört.

Guns N' Roses Frontman Axl Rose: So richtig will die Stimme nicht mehr (Archivbild)
Guns N' Roses Frontman Axl Rose: So richtig will die Stimme nicht mehr (Archivbild) © Gonzales Photo/Lasse Lagoni

Die Band klingt recht breiartig, anders als bei den Rival Sons wabert der Sound durch die Arena, bei „Pretty Tied Up“ ist dann auch noch das Schlagzeug zu leise. Der Sound verschwimmt vor allem, wenn Slash aufdreht: Man kann seine Soli zwar auf den beiden Großleinwänden in Nahaufnahme sehen, wirklich hören kann man oft nur die länger gehaltenen Noten. Doch meist umgniedelt er die und oft geht alles in einer Soundwolke unter, umso mehr, wenn sein Fuß aufs Wah-Wah-Pedal drückt.

Was du willst und was du bekommst, ist zweierlei.

Nicht nur Sound und Stimme sind schwach: Die Animationen auf der Großleinwand sehen aus, als ob sie zu den Hochzeiten der Band um 1990 entstanden wären, und werden meist ohne ersichtlichen Zusammenhang oder Sinn abgespielt. Die Bühne hat nicht mehr als ein paar Podeste zu bieten. Und die Show erschöpft sich weitgehend darin, dass Axl über die Bühne tigert und fordernd ins Publikum schaut; zweimal langt sich der 63-Jährige in den Schritt. Interaktion zwischen den drei Gründungsmitgliedern gibt es nahezu gar nicht, und die vier Mitmusiker fallen nicht weiter auf.

„Because What You Want & What You Get Are Two Completely Different Things“ heißt die Tour ironisch: Was Du willst und was Du bekommst, ist zweierlei. Doch bei allen Problemen: So ganz stimmt das Motto auch wieder nicht. Während der ersten zwei von drei Stunden macht das Konzert immer wieder Spaß. Der sehnige Duff McKagan steht breitbeinig auf der Bühne, verbeugt sich mit der Aufschrift „L.A.M.F.“ vor einem Album der Punk-Band Heartbreakers. Slash lässt sich die schwarzen Locken unterm Zylinder ins Gesicht fallen, dreht sich einmal im Kreis, macht einen kurzen Duckwalk und ist sonst cool wie immer. 

Die Killerriffs knallen trotzdem

Und der Trumpf der Band sind ihre Killerriffs, und die knallen live, wenn Guns N‘ Roses sie ohne Gniedel und Gedöns in die Arena ballern wie bei „Out Ta Get Me“, „Coma“ oder „Slither“, dem Song der Band Velvet Revolver, die Slash und Duff gründeten, während Axl Rose die Guns N‘ Roses als einziges Gründungsmitglied – und Eigentümer der Namensrechte – weiter betrieb. „Down On The Farm“, ein Cover der UK Subs, klingt sogar richtig gut, weil Axl durchgängig in einer passenden Stimmlage bleiben kann. Duff McKagan singt auch ein Cover, „Attitude“ von den Misfits, und danach folgt er dem üblichen Höflichkeits-Ritual und dankt dem Publikum auf Deutsch: „Dankeschön, Motherfuckers“.

Guns N' Roses waren die erste Band, die in der Münchner Allianz Arena ein volles Konzert spielen durften. (Archivbild)
Guns N' Roses waren die erste Band, die in der Münchner Allianz Arena ein volles Konzert spielen durften. (Archivbild) © Gonzales Photo/Lasse Lagoni

Die Angesprochenen schreien zwei Mal laut auf: beim Beginn von Bob Dylans „Knockin‘ On Heaven’s Door“ und, noch viel lauter, als Slash nach seiner Blues-Solonummer das Intro von „Sweet Child O‘ Mine“ spielt. Pünktlich zu dem Riesenhit ist es über der Arena dunkel geworden, danach folgt „Rocket Queen“ mit weiteren starken Riffs, und wenn Guns N‘ Roses nun in dieser schönen nächtlichen Stimmung gleich den „Nighttrain“ besteigen und in die „Paradise City“ einrollen würden, also die beiden Schlussnummern spielen würden, dann hätten sie das Konzert doch noch passabel rumgebracht. Doch ach, erst mal wird ein Flügel auf die Bühne gerollt.

Eine besonders schlechte Hitballade

Und dann singt und haucht Axl Rose „November Rain“ schlecht, sehr schlecht. Und wer um Himmels Willen hatte die Idee, „Wichita Lineman“ zu covern? Jimmy Webbs Song ist ein Meisterwerk, nur kann Axl die Melodie beim besten Willen nicht bewältigen. Während die Show auf den Höhepunkt zusteuern sollte, gehen auffallend viele Gäste zum Bierholen, aufs Klo, vielleicht auch schon nach Hause. Und danach wird es nicht besser: Bei der Lagerfeuer-Ballade „Patience“ hat Slash an der Akustischen bemerkenswerte Timing-Probleme. Immerhin gibt es wenig später noch ein versöhnendes „Paradise City“, dann sagt Axl „Good Fuckin‘ Night“, und die Band verschwindet hastig von der Bühne. Sie kommt aber noch einmal zurück: nicht für eine Zugabe, sondern für eine gemeinsame Verbeugung, für die Axl Rose noch ein letztes Mal das Outfit gewechselt hat. Um kurz vor elf ist das Premierenkonzert in der Allianz Arena zu Ende.

Was da in den kommenden beiden Jahren folgt, dem können Münchner Rockfans gelassen entgegensehen. Natürlich hat die Umgebung der Arena nicht den Charme des Olympiaparks. Die Fressmeile vor dem Eingang der FC-Bayern-Kathedrale ist auch nicht so einladend wie die „Adele World“, die im vergangenen Jahr in der Messe errichtet wurde. Die dortige Ein-Monats-Arena hatte zudem gezeigt, dass ein eigens für Konzerte errichtetes Bauwerk ein Erlebnis für sich sein kann. Dennoch: In der Allianz Arena werden gute Konzerte stattfinden können. Danke für diese Erkenntnis, Vorband! 

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