Graham Nash im Circus Krone in München: "Keine überflüssigen Songs"

Musiklegende Graham Nash spielt am 6. September im Circus Krone. Vorab sprach er mit der AZ über seine Karriere, seine schwere Krankheit und seine Weggefährten.
Dominik Petzold
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Fast 6 Jahrzehnte später ist Graham Nash immer noch auf Tour mit Liedern aus seiner gesamten Karriere.
IMAGO/Ritzau Scanpix 2 Fast 6 Jahrzehnte später ist Graham Nash immer noch auf Tour mit Liedern aus seiner gesamten Karriere.
Der Münchner Uli Handel (Mitte) empfing Graham Nash (links) und Toni Hicks von The Hollies im August 1965 in München und betreute sie in den anschließenden 6 Tagen und Nächten. Das Foto stammt von Toni Hill, dem damaligen Hollies Roadmanager
Uli Handel 2 Der Münchner Uli Handel (Mitte) empfing Graham Nash (links) und Toni Hicks von The Hollies im August 1965 in München und betreute sie in den anschließenden 6 Tagen und Nächten. Das Foto stammt von Toni Hill, dem damaligen Hollies Roadmanager

Das erste Mal kamen The Hollies im August 1965 nach München, verbrachten hier eine Woche und spielten im Circus Krone. The Hollies Gründungsmitglied Graham Nash schrieb aber auch Rockgeschichte mit Crosby, Stills & Nash, denen sich immer mal wieder Neil Young anschloss, und als Solokünstler. Am 6. September kommt der 81-Jährige in den Circus Krone und spielt Songs aus seiner knapp sechzigjährigen Karriere.

AZ: Mister Nash, sind Sie eigentlich noch nervös auf der Bühne?
GRAHAM NASH: Nein. Nur wenn ich einen neuen Song spiele, bin ich etwas besorgt. Aber ich merke schnell, wenn der Song gut ist.

Schon vor dem Applaus?
Ja. Ich sehe den Leuten ins Gesicht und beobachte, wie sie auf die Worte reagieren.

Auf Ihrem neuen Album "Now", das im Mai erschienen ist, konnten Sie kaum jemandem ins Gesicht sehen: Die Musiker haben ihre Parts an verschiedenen Orten aufgenommen. Ist es überschätzt, live zusammenzuspielen?
Wenn man ein Album an verschiedenen Orten aufnimmt, muss man eben versuchen, dass es so klingt, als ob alle Musiker im selben Raum wären. Das ist die Kunst. Und ich glaube, das ist uns bei dem Album sehr gut gelungen.

Der Münchner Uli Handel (Mitte) empfing Graham Nash (links) und Toni Hicks von The Hollies im August 1965 in München und betreute sie in den anschließenden 6 Tagen und Nächten. Das Foto stammt von Toni Hill, dem damaligen Hollies Roadmanager
Der Münchner Uli Handel (Mitte) empfing Graham Nash (links) und Toni Hicks von The Hollies im August 1965 in München und betreute sie in den anschließenden 6 Tagen und Nächten. Das Foto stammt von Toni Hill, dem damaligen Hollies Roadmanager © Uli Handel

Der schöne Song "A Better Life" ist ziemlich optimistisch. Wieso sind Sie in diesen düsteren Zeiten immer noch Optimist?
So war ich eben schon immer. Ich dachte stets: Heute ist ein toller Tag - und morgen wird noch besser. Zugleich denke ich, dass man als Künstler die Verpflichtung hat, die Zeiten zu reflektieren, in denen man lebt. Wir müssen über die politische Lage und über den Klimawandel reden. Darauf bin ich auch mit am meisten stolz: Mit all der Musik, die ich mit meinen Partnern gemacht habe, wollten wir immer die Wahrheit sagen.

Zuerst spielten sie bei den Hollies. 1965 nahm die Band mit den Everly Brothers Stücke für deren Album "Two Yanks in England" auf. Das waren die Idole ihrer Jugend. Wie erinnern sie sich daran?
Die Hollies sind als Vorband von Pete Seeger im London Palladium aufgetreten. Nach dem Soundcheck klingelte hinter der Bühne das Telefon, unser Tourmanager Rod Shields nahm ab, gab mir den Hörer und sagte: "Phil Everly ist dran". Ich sagte: "Rod, das ist nicht sehr nett, mit so etwas macht man keine Witze." Aber es war tatsächlich Phil Everly und er fragte, ob die Hollies neue Songs hätten, die wir noch nicht aufgenommen haben. Wir hatten ein Dutzend neue Lieder, trafen die Everlys in ihrem Londoner Hotel und spielten sie ihnen vor. Fünf oder sechs haben sie genommen, und wir haben mit ihnen die Platte aufgenommen. Darauf spielten auch Jimmy Page und John Paul Jones, und am Klavier saß Reggie Dwight, der später Elton John werden sollte.

Die Platte war kein Hit, dabei sind darauf ein paar magische Aufnahmen. Oder?
Ja, finde ich auch. Ich will ja niemandem seine Zeit mit überflüssigen Songs stehlen.

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Haben die Everly Brothers auch beeinflusst, wie sie mit Crosby, Stills & Nash miteinander sangen?
Klar, wie auch nicht? Der gemeinsame Klang ihrer Stimmen war unglaublich. Aber auch wenn man dieselben Noten sang wie die Everly Brothers, konnte man nicht so klingen wie: Sie waren durch ihre DNS verbunden, kamen aus demselben Mutterleib.

Crosby, Stills & Nash entstand Ende der Sechziger, als Stephen Stills und David Crosby einen Song spielten und Sie spontan eine dritte Stimme sangen. Sofort war Ihr Sound geboren. Und das Ganze trug sich in Joni Mitchells Haus zu. Kommt ihnen dieser Moment immer noch surreal vor?
Absolut. Dieser Moment, als sich unsere drei Stimmen vereinten, veränderte mein Leben. Als ich diesen Sound hörte, wusste ich: Der ist genau der Sound, den ich machen will. Die Byrds und Buffalo Springfield...

... die Bands, in denen die beiden anderen zuvor waren...
... und die Hollies hatten alle einen ziemlichen guten Harmoniegesang. Aber das war etwas völlig anders. Wir liebten diesen Sound auf der Stelle.

Ihr Debütalbum war ein Riesenhit. Wieso ließen sie danach Neil Young in ihre erfolgreiche Band? Er war noch nicht übermäßig berühmt, und Stephen Stills hatte zuvor bei Buffalo Springfield turbulente Zeiten mit ihm durchlebt.
Wir hatten keine Wahl. Auf der ersten Crosby, Stills & Nash-Platte spielte Stephen Stills sehr viele Instrumente: Lead Guitar, Rhythm Guitar, Bass, Piano, Percussion. Als wir das Album fertig hatten, wussten wir, dass es ein großer Hit werden würde und wir auf Tour gehen müssen. David und Stephen trafen bei einem Dinner in New York City Ahmet Ertegun, den Chef unserer Plattenfirma Atlantic Records, und er sagte, er wisse, wen wir holen sollen: Neil Young. Da sagte Stephen: Moment mal, Ahmet, habe ich nicht gerade zwei irrsinnige Jahre mit dem durchlebt? Ich wiederum hatte Neil Young noch nie getroffen. Dann verabredeten wir uns zum Frühstück - und danach hätte ich ihm sofort die Band überlassen. Er war sehr lustig. Ich fragte ihn: Neil, wir haben diese wunderbare Platte aufgenommen, wieso sollten wir dich in die Band aufnehmen? Er sah mich an und sagte: Hast Du schon mal gehört, wie Stephen und ich zusammen Gitarre spielen? Darum braucht ihr mich in dieser Band. Und er hatte recht.

Sie hätten doch einfach einen tollen Sessionmusiker engagieren können.
Das hätten wir machen können. Aber wir haben uns für Neil entschieden.

Wie hat das die Band verändert?
Es hat etwas Raues in die Musik gebracht. Wir haben zusammen tolle Musik gemacht, unser Album "Déja Vu" wurde gerade als kulturell bedeutende Musik in die Library of Congress aufgenommen. Eine große Ehre.

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Sie alle hatten auch sehr viel Streit miteinander. War die Musik das immer wert?
Ja. Wir mögen uns wirklich, und das muss man auch, um solche Musik zu machen. Aber klar, manchmal mochten wir uns auch nicht so sehr. Doch die Musik war immer der mit Abstand wichtigste Teil unserer Beziehung.

Auch ihr Verhältnis mit David Crosby war zuletzt nicht einfach. Anfang des Jahres ist er gestorben. Wie erinnern Sie sich an ihn?
Ich habe mich entschieden, mich an die guten Zeiten zu erinnern und an die großartige Musik. Sein Tod war unglaublich traurig, er war fünfzig Jahre lang mein bester Freund, und ich werde ihn jeden einzelnen Tag meines Lebens vermissen.

In den späten Sechzigern lebten Sie alle im Laurel Canyon in L.A. Man kann die legendären Musiker kaum aufzählen, die damals dort wohnten. Ein Wunder?
Ja. Es war wie in Paris in den Dreißigern oder Wien zur Jahrhundertwende. Manchmal kommt eben zu einer Zeit an einem bestimmten Ort alles zusammen. Es war eine aufregende Zeit.

Sie lebten dort mit ihrer Freundin Joni Mitchell in einem kleinen Häuschen, das sie in "Our House" verewigt haben. Haben Sie noch Kontakt?
Ja, ich schicke ihr jedes Jahr Blumen zum Geburtstag. Sie ist eine unglaubliche Frau und eine brillante Künstlerin.

Waren Sie überrascht, dass sie nach ihrer schweren Krankheit letztes Jahr ein Live-Comeback gefeiert hat?
Ja, und ich bin begeistert, dass sie zurück im Leben ist. Das letzte Mal habe ich sie gesehen, als sie in Washington den Gershwin Prize bekommen hat, und ich fragte sie: Hast Du Ideen für neue Songs, für neue Bilder? Sie sagte: Nein - noch nicht. Die letzten beiden Worte haben mir sehr gefallen. Sie ist auf dem Weg zurück.


Circus Krone, Mittwoch, 6. September, 20 Uhr, letzte Karten gibt es unter 54818181

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